DER „VOLKSSTURM“ IM RESIDENZSCHLOSS
Noch kurz vor dem Einmarsch der Amerikaner traf sich im Residenzschloss der „Volkssturm“ Bad Mergentheims – alle waffenfähigen Männer zwischen 16 und 60 Jahren. Die Versammlung war mehr als chaotisch. Der spätere Bürgermeister Lothar Daiker erinnert sich: „Kein Mensch wußte, was eigentlich los war. Man rief nach dem Kreisleiter und es hieß, derselbe sei übermüdet, werde aber in Bälde erscheinen.“ Während des Wartens „hörte man das Krachen eines krepierenden Geschosses“. Mitten in der Nacht, „gegen 3.00 Uhr früh“, erschien der Kreisleiter. „Man sah ihm an, daß er betrunken gewesen war und seinen Rausch nur halbwegs ausgeschlafen hatte“, so Daiker. Auf die Frage, ob man Mergentheim nun verteidigen würde, „gab er ausweichende Antworten“ – keine halbe Stunde später war die Versammlung vorbei.
BEFREIUNG DURCH DIE AMERIKANER
Beim Einrücken der Amerikaner blieben die Bad Mergentheimer insgesamt ruhig und besonnen. So entgingen Schloss und Stadt der Zerstörung; vom „Volkssturm“ ging keine Bedrohung aus. Am 7. April 1945 – im restlichen Deutschland ging der Krieg noch über einen Monat weiter – endete die Herrschaft der Nationalsozialisten über Bad Mergentheim. Nach der Einnahme der Stadt nahm die amerikanische Militärverwaltung für kurze Zeit ihren Sitz im Residenzschloss. Die Deutschordensstadt war aber nur eine Etappe: Ein Bild, kurze Zeit später entstanden, zeigt, wie die amerikanischen Soldaten nach Crailsheim weiterziehen. Im Hintergrund deutlich sichtbar ist die markante Silhouette der alten Stadt mit den Türmen der Schlosskirche und dem großen Dach des Residenzschlosses.
EINE STADT UNTER DEM HAKENKREUZ
Wie überall in Deutschland bedeutete die nationalsozialistische Herrschaft auch für die jüdischen Mergentheimer Verfolgung und Tod. Seit dem Mittelalter gab es in Mergentheim eine große jüdische Gemeinde; im 18. Jahrhundert waren jüdische Bankiers und Großkaufleute für den Deutschen Orden tätig, jüdische Mergentheimer kämpften für das deutsche Kaiserreich im Ersten Weltkrieg. Kurz nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurden die jüdischen Bürger Mergentheims bedrängt. Beim Pogrom vom 8. auf den 9. November 1938 wurde die Synagoge zerstört. 1941 und 1942 wurden die letzten jüdischen Einwohner, die noch nicht aus Bad Mergentheim geflohen waren, deportiert. An die reiche jüdische Kultur der Stadt, die es vor den nationalsozialistischen Gewaltverbrechen gab, erinnert noch heute die Dauerausstellung „Jüdisches Leben in Mergentheim“ im Residenzschloss.
Information
Aktuell ist das Residenzschloss Mergentheim wie alle Monumente der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg ebenso wie alle Kultureinrichtungen geschlossen.