PAPRIKA UND DIE WELTENTDECKER
Chilis und Paprika haben ihren Teil zur Weltgeschichte beigetragen. Denn Kolumbus und viele andere Seefahrer brachen vor über fünf Jahrhunderten vor allem deswegen zu ihren Entdeckungsfahrten auf, weil Gewürze ein so begehrtes Handelsgut waren. In Europa besaß die alte Handelsstadt Venedig fast das Gewürzmonopol, denn der gesamte Import folgte der östlichen Route, aus Asien kommend durch die arabischen Länder via Konstantinopel und durch die Adria. Die Entdeckungsfahrten brachen daher alle in Richtung Westen auf – um die alternativen Routen in der Gegenrichtung zu suchen! Michael Hörrmann, der Geschäftsführer der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg erklärt: „Es ist immer wieder erstaunlich, auf welche kulturhistorischen Traditionen man stößt, wenn man durch die Monumente des Landes geht. Der Botanische Garten ist voller Überraschungen: Hier können wir den Besucherinnen und Besuchern etwa zeigen, woher unsere Gewürze kommen“.
AUS MITTELAMERIKA IN DIE GANZE WELT
Die gesamte Gattung Paprika oder botanisch „Capsicum“, zu der Chilis und Paprika gehören, stammt ursprünglich durchweg aus Mittelamerika, wo sie schon wenige Jahre nach der europäischen Entdeckung des Kontinents beschrieben wurden. Schon 1542 schreibt der deutsche Forscher Leonhard Fuchs (nach ihm wurde die Fuchsie benannt), dass die Paprika als Topfpflanze weit verbreitet sei! Die Paprika-Arten traten schnell einen Siegeszug rund um die Welt an und wurden in den nächsten Jahrhunderten von der Neuentdeckung zum Grundbestandteil vieler Küchen auf der ganzen Welt. In Deutschland allerdings blieb die Paprika, von süß bis scharf, bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts ein Exot, den man etwa in Botanischen Gärten kultivierte.
ALLE PFLANZEN IM BOTANISCHEN GARTEN GEZOGEN
Im Botanischen Garten werden jetzt im Herbst die Früchte verschiedener Sorten reif: etwa die von Capsicum annuum, C. baccatum und C. chinense. Bei allen sind die Früchte zuerst grün und verfärben sich im Reifeprozess hin zu Gelb-, Orange- und verschiedenen Rottönen. „Wir haben in unserer Gärtnerei alle Chilis als einjährige Pflanzen kultiviert, d.h. wir sähen im zeitigen Frühjahr aus und ab dem Sommer kann man die reifen Früchte genießen – sofern es der Schärfegrad zulässt und man die Schärfe verträgt“, erklärt Thomas Huber, der Leiter des Botanischen Gartens Karlsruhe.
VON GEMÜSEPAPRIKA BIS CAYENNE-PFEFFER
Capsicum annuum, der „spanische Pfeffer“, wurde vom Carl von Linnée so benannt und klassifiziert, dem Naturforscher, mit dem auch die badische Markgräfin Caroline Luise in Briefverkehr stand. In diese Art gehört sowohl die Gemüsepaprika als auch Chili und Cayenne-Paprika. Von mild und süß bis zu scharf reicht das Spektrum des Geschmackes. Die Schärfe wird übrigens nach der Scoville-Skala gemessen: von 0 bei der Gemüsepaprika bis in den Millionenbereich bei Chilis.
GEFÄHRLICHE SCHÄRFE
Capsicum baccatum zeichnet sich dadurch aus, dass die Früchte zunächst aufrecht wachsen. Im Laufe der Reife hängen die Früchte dann an der Pflanze herab. Auch bei dieser Art kommen sehr scharfe Sorten vor. Ihre reifen Früchte finden vor allem in der südamerikanischen Küche Verwendung. Bei der Sorte Capsicum chinense ist der Name irreführend, denn auch diese Pflanzen kommen aus Südamerika. Zu C. chinense gehören die schärfsten Sorten wie z.B. der legendäre Habanero. „Wir stellen 2019 zum ersten Mal Paprika und Chili in diesem breiten Sortiment im Kalthaus aus. Wir haben zwar keine Warnschilder aufgestellt – aber wir warnen vor dem Verzehr der Früchte“, erklärt Thomas Huber: „Bei manchen Pflanzen reicht schon der Kontakt mit dem Fruchtfleisch für Hautreizungen. Und wenn man dann noch die Lippen berührt, kann das schmerzhaft brennen.“
PAPRIKA UND CHILI ZU HAUSE IM GARTEN
Vor allem Chilis werden in den letzten Jahren zunehmend in Gärtnereien als Topfpflanzen angeboten. Sie sind dekorativ und lassen sich, wenn man regelmäßig gießt und gelegentlich düngt, leicht auf dem heimischen Balkon kultivieren. Die Früchte kann man frisch in der Küche verwenden – allerdings empfiehlt sich Vorsicht bei der Dosierung. Sie lassen sich gut trocknen, wenn man sie locker auslegt oder auf einen Bindfaden auffädelt und aufhängt. Wer will, kann die frischen oder die getrockneten Chilis auch mit Öl, etwas Zucker und Salz und einem Schuss Essig pürieren. In dicht schließende Gläser abgefüllt, hält sich die Würzpaste lang.
HISTORISCHE ANLAGE DES BOTANISCHER GARTERNS
Die eindrucksvollen Glashäuser des Botanischen Gartens, vor deren Halbrund sich die große Wiese mit den Blausternen ausbreitet, stammen aus dem 19. Jahrhundert und wurden ursprünglich vom Architekten Heinrich Hübsch entworfen, von dem auch das Gebäude der Kunsthalle stammt. Die historischen Gewächshäuser aus Metall und Glas wurden über längere Zeit aufwendig saniert und erst im April 2018 wiedereröffnet. Seither orientieren sich Gestaltung und Pflanzenauswahl exakt an den historischen Vorlagen aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.