Zu Besuch in Maulbronn
Nonne, Dichterin, Universalgelehrte – Hildegard von Bingen zählt zu den bekanntesten und faszinierendsten Persönlichkeiten des Mittelalters. Schon zu Lebzeiten war sie bekannt und gefragt: Insgesamt vier ausgedehnte Predigtreisen unternahm die Äbtissin. Die Massen hörten ihr zu, wenn sie über ihre Visionen und Moralvorstellungen sprach. Zu ihrer letzten Reise brach sie 1170, mit über 70 Jahren, auf. Ihr Weg führte sie nach Süddeutschland. Dort besuchte sie bedeutende Klöster. Natürlich durfte Maulbronn nicht fehlen – das Kloster war Hildegard schon bekannt: Davon zeugen die Briefe, die sie mit dem Abt Dieter und dem Mönch Heinrich austauschte. Die Zisterziensermönche empfingen sie freundlich. Das Kloster präsentierte sich damals anders als heute. Denn es wurde an seiner heutigen Stelle erst 1147 errichtet. Als Hildegard das Kloster besuchte, befand sich die Klosterkirche noch im Bau. Erst 1178 wurde die Kirche geweiht, nach rund 30 Jahren Bauzeit. Wer war die bedeutende Frau, die 1098, vor genau 925 Jahren, geboren wurde?
Der Weg einer Nonne
Das genaue Geburtsdatum Hildegards von Bingen ist unklar. Man weiß jedoch, dass sie aus einer adeligen Familie stammte. Ihre Eltern waren die Edelfreien Hildebert und Mechthild, geboren wurde sie im heutigen Bundesland Rheinland-Pfalz – je nach Quelle in Bermersheim oder Niederhosenbach. Als zehntes Kind ihrer Eltern war ihr Weg vorbestimmt: Sie sollte ins Kloster eintreten und ihr Leben Gott widmen. Mit acht Jahren wurde sie geistlich erzogen und lebte bald im Kloster auf dem Disibodenberg. 1136 wurde sie Priorin. Rund zehn Jahr später fasste sie den Entschluss, ein eigenes Kloster zu gründen. 1150 wurde ihr Wunsch mit dem Kloster Rupertsberg Realität. Zu diesem Zeitpunkt war sie einer breiten Öffentlichkeit schon bekannt – dank ihrer Visionen.
Visionen und Predigtreisen
Hildegard von Bingen empfing göttliche Zeichen und Bilder. 1141 begann sie, unterstützt durch den Propst Volmar von Disibodenberg und der Nonne Richardis von Stade, ihre Visionen und Vorstellungen aufzuschreiben. 1147 erhielt sie die Erlaubnis, ihr Werk zu veröffentlichen. Mönche nahmen einige Kopien ihrer Schriften mit nach Trier, um sie Papst Eugen III. bei einer Synode, einer Kirchenversammlung, vorzulesen. Daraus entstand schließlich „Liber Scivias“ – auf Deutsch: „Wisse die Wege“. Insgesamt 26 Visionen thematisieren Gut und Böse, Richtig und Falsch, Sündenfall und Erlösung. Die Nonne thematisierte dabei auch Intimes: den richtigen Umgang mit Sexualität aus christlicher Sicht. Hildegard faszinierte ihre Mitmenschen und wurde zur Wegweiserin. Sie tauschte sich mit geistlichen sowie weltlichen Autoritäten aus und unternahm vier ausgedehnte Predigtreisen.
Die Wirkung der Kräuter
Heute ist Hildegard von Bingen nicht mehr vorrangig für ihre Visionen und Morallehre bekannt, sondern für ihre Kräuterkunde. Die Äbtissin sammelte Wissen über Krankheiten und Pflanzen und verband es mit der Volksmedizin. Gegen allerlei Gebrechen und Beschwerden kannte Hildegard von Bingen über 200 Mittel. Viele der von Hildegard benannten Heilpflanzen waren fester Bestandteil von Kräutergärten in Klöstern. Im Kloster Maulbronn lebt diese mönchische Tradition fort. 2008 wurde dort ein Kräutergarten angelegt, der nach dem Modell des Mönches Walahfrid Strabo aufgebaut ist. In den rechteckigen Beeten wachsen Kräuter wie Rosmarin und Andorn.
Bildnachweis
Miniatur aus dem Rupertsberger Codex des Liber Scivias, Hildegard von Bingen empfängt eine göttliche Inspiration und gibt sie an ihren Schreiber weiter.
Foto: Wikimedia Commons, gemeinfrei
Service und Information
ÖFFNUNGSZEITEN
Kloster Maulbronn
1. März bis 31. Oktober
Mo – So, Feiertag 9.30 – 17.30 Uhr
Letzter Einlass um 16.45 Uhr
Donnerstag, 22. Juni
09.30 – 15.30 Uhr
Letzter Einlass um 14.45 Uhr
PREISE
Erwachsene 9,00 €
Ermäßigte 4,50 €
Familien 22,50 €
KONTAKT
Kloster Maulbronn
Klosterhof 5
75433 Maulbronn
Telefon +49(0)70 43.92 66 10