Donnerstag, 3. November 2022

Schloss und Schlossgarten Weikersheim | Allgemeines „Schöne Gemächer“: Kartenspiele und Kaffeegenuss im Hauptgemach

Seit Juli können die Gäste von Schloss Weikersheim wieder die „Schönen Gemächer“ bei Führungen erleben. Die zahlreichen originalen Ausstattungsstücke dieser Räume zeigen eindrücklich, wie die Grafenfamilie einst gelebt hat. Ein Höhepunkt der „Gemächer“ ist das kostbare Hauptgemach von Fürstin Elisabeth Friederike Sophie, in dem eine Spielund eine Heißgetränkeszene dargestellt sind.

EIN HIGHLIGHT IM RUNDGANG

Schloss Weikersheim gehört zu den schönsten Schlössern in Hohenlohe. Sein barocker Schlossgarten mit Orangerie und seinen zahlreichen außergewöhnlichen Figuren ist voller Überraschungen und immer einen Besuch wert. Im Saalbau der einstigen Residenz finden sich die „Schönen Gemächer“, das Staatsappartement von Fürstin Elisabeth Friederike Sophie, das seit Sommer diesen Jahres wieder für die Öffentlichkeit zugänglich ist. Die geborene Prinzessin von Oettingen-Oettingen durfte aufgrund ihres Standes zusätzlich zu einem privaten Appartement auch repräsentative Zimmer unterhalten. Neben dem Schlafzimmer und dem pittoresken Porzellan- und Spiegelkabinett bildet das Hauptgemach ein Highlight im Rundgang durch die einstigen Repräsentations- und Schauräume der Fürstin, die seinerzeit nur wenigen und ausgewählten Besucherinnen und Besuchern vorbehalten waren. „Das Hauptgemach wurde für abendliche Spiel-, Musikund Tanzveranstaltungen genutzt, wie in Versailles üblich“, erläutert Dr. Ralf Wagner, Konservator bei den Staatlichen Schlössern und Gärten. Auch für die kostbare Gestaltung und Ausstattung des Staatsappartements diente der französische Hof als Vorbild. Der Großteil der Wandbespannungen, Möbel und weiteren Ausstattungsstücke hat sich bis heute erhalten und findet sich nun an seinem ursprünglichen Aufstellungsort wieder. Für die Einrichtung wählten die Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg ein Konzept, das den Besucherinnen und Besuchern das Gefühl suggeriert, die Hofgesellschaft hätte gerade erst den Raum verlassen.

 

KARTENSPIELE UND EINE LUXURIÖSE FRUCHT

Ein Beispiel für die Umsetzung dieses Konzeptes ist die Spielszene im Hauptgemach. Glücksspiel gehörte zur täglichen Freizeitgestaltung der Hofgesellschaft im 18. Jahrhundert. Beliebt waren damals Kartenspiele, die heute nicht mehr bekannt sind, wie Pharo, aber auch Brettspiele wie Dame, Mühle und Backgammon, das man Tric-Trac nannte. So sehen die Besucherinnen und Besucher des Hauptgemachs einen prunkvollen, von Sesseln und Hockern umstellten Tisch mit einem Kartenspiel aus historisch nachempfundenen Spielkarten sowie Gläsern und Flaschen. Zwei „Scherzgefäße“ dokumentieren die damals beliebten Trinkspiele. Bei dem „Sturzbecher“ musste man den Kelch komplett leertrinken, bevor man ihn abstellen konnte. Zwei Trinkpokale weisen auf den höheren Stand von Elisabeth Friderike Sophie: Sie zeigen das Portrait von Kaiser Franz Stephan von Lothringen und Kaiserin Maria Theresia von Habsburg, mit der die Gräfin über ihre Mutter verwandt war. In zwei Flaschen wird Weiß- und Rotwein angeboten. Ins Auge fällt auch eine (künstliche) Ananas, die in einer Glasschale aus dem 19. Jahrhundert präsentiert wird. „Als Inbegriff fürstlicher Tafelkultur symbolisiert die Ananas den Luxus am Weikersheimer Hof“, sagt Dr. Ralf Wagner, und fügt hinzu: „Es war schon eine Sensation, dass der kleine Grafenhof in Weikersheim über einen Gärtner verfügte, der diese Luxusfrucht anbaute.“ Auch heute noch werden Ananasfrüchte in der Orangerie gezüchtet.

 

MODEGETRÄNKE WERDEN HAUPTDARSTELLER

Neben der Spielszene ist im Hauptgemach auch eine Heißgetränkeszene nachgestellt – ein weiteres Beispiel für die Umsetzung des Konzepts der „Living History“, also der „erlebbaren Geschichte“. Als Inspiration diente ein Gemälde des Genfer Künstlers JeanÉtienne Liotard. Kaffee war zur Zeit von Elisabeth Friederike Sophie und ihrem Ehemann Graf Carl Ludwig in vielen Bevölkerungsschichten ein absolutes Modegetränk, ebenso wie Tee und Schokolade. Der Kauf der importierten, noch ungerösteten Kaffeebohnen war kostspielig, und so ist es nicht verwunderlich, dass das Fürstenpaar neben exotischen Pflanzen und Früchten wie Ananas auch Kaffee in seinem Garten anbauen ließ. Auf einem prunkvollen Tisch, der von Sesseln und Hockern umstellt ist, sehen die Besucherinnen und Besucher originale Porzellanstücke, die bei einem Kaffeekränzchen nicht fehlen durften: eine Kanne sowie Tassen mit Untertassen.

 

WIE DIE UNTERTASSE ZU IHREM NAMEN KAM

Getrunken hat man Kaffee jedoch nicht aus einer Tasse, sondern aus einer hochgemuldeten Untertasse: Man brühte Kaffee in einer Kanne auf, goss ihn dann in eine Tasse, gab Milch und Zucker dazu und rührte um. Nun schenkte man den Kaffee zum Erkalten und ohne Satz in eine Untertasse. „So kam der Teller unter der Tasse zu seinem Namen“, erläutert Dr. Ralf Wagner. Ebenfalls auf dem Tisch sind höhere Tassen und eine höhere Kanne zu sehen, die man zum Schokoladetrinken verwendete. Die henkellose Teetasse, das sogenannte Koppchen, und die bauchigere Kanne nutzten die adeligen Damen und Herren für den Genuss von Tee. Zum Genuss von Heißgetränken gehörten auch ein henkelloses Gefäß mit Kandiszucker, eine sogenannte Kumme, sowie eine Spülkumme, die so drapiert ist, als hätte gerade jemand seine Tasse oder sein Koppchen darin ausgespült. Und da man auch zur Zeit der Grafenfamilie süße Gebäcke schätzte, ist auf dem Tisch eine farbenfrohe Macaron-Pyramide zu sehen.

 

SEIT MEHR ALS 300 JAHREN IM SCHLOSS: DIE TAPISSERIEN

Die Wände des Hauptgemachs schmücken mehrere Wandteppiche, sogenannte Tapisserien. Angefertigt wurden diese von der der Schwabacher „Manufacture de Tapisserie“, wahrscheinlich für die erste Ehefrau des Grafen Carl Ludwig, Prinzessin Dorothea Charlotte Markgräfin von Brandenburg-Kulmbach. Zwischen 1709 und 1713 wurden sie an den Weikersheimer Hof geliefert. „Somit befinden sie sich bereits seit mehr als 300 Jahren im Schloss“, betont Dr. Ralf Wagner. Farblich und motivisch sind die Tapisserien und Polstermöbel des Hauptgemachs aufeinander abgestimmt. „Ein Sitzbezug zeigt beispielsweise den gleichen Bienenstock mit dem charakteristischen Strohschutz und dem ausfliegenden Bienenschwarm wie eine Tapisserie im Hauptgemach“, erläutert Dr. Ralf Wagner. Und dann gibt es noch eine Besonderheit: In der Mitte der Bordüre aller Sesel erscheint in einer Kartusche, also einem Zierrahmen, ein schwarzes Raubtier. „Dieses kann als schwarzer Panther und somit als Wappentier der Grafen von Hohenlohe gedeutet werden“, so Dr. Ralf Wagner weiter.

 

GÖTTINNEN, GÖTTER UND PUTTI

Nicht nur die Wände des Hauptgemachs sind kostbar ausgestattet, auch das rechteckige Deckengemälde, dessen vier abgerundete Ecken von Putti getragen werden, ist ein Blickfang. Im Zentrum des Gemäldes befindet sich Aurora, die römische Göttin der Morgenröte. Umgeben ist sie von mehreren Gottheiten, die auf dunklen Wolken schweben. Besucherinnen und Besucher können das Deckengemälde von drei Standpunkten aus betrachten: Die zentrale Figur der Aurora blickt auf die aus dem Vorgemach eintretenden Besucherinnen und Besucher. Dagegen sind die begleitenden Göttinnen und Götter sowohl auf den Blick vom Porzellan- und Spiegelkabinett ins Hauptgemach als auch vom Hauptgemach ins Kabinett ausgerichtet. Wie das Kunstwerk interpretiert werden kann, erklärt Dr. Ralf Wagner: „Das Deckengemälde könnte auf den Wunsch nach Fruchtbarkeit in der Ehe und nach männlichen Nachkommen verstanden werden – beides wurde in der Frühen Neuzeit von einer Fürstin erwartet.“ Leider sollte dieses Glück Fürstin Elisabeth Friederike Sophie und Graf Carl Ludwig nicht vergönnt sein: 1744 starb ihr einziger Sohn Albrecht Ludwig Friedrich bei einem Reitunfall. Somit endete mit dem Tod von Elisabeth Friederike Sophie die Geschichte von Schloss Weikersheim als Residenz.

 

SERVICE UND INFORMATIONEN

ÖFFNUNGSZEITEN

Schloss

1. November bis 31. März

Di – So, Feiertag 10.00 – 17.00 Uhr

24., 25. und 31. Dezember geschlossen

1. April bis 31. Oktober

Di – So, Feiertag 10.00 – 18.00 Uhr

 

Schlossgarten

1. November bis 31. März

Di – So, Feiertag 10.00 – 17.00 Uhr

24., 25. und 31. Dezember geschlossen

1. April bis 31. Oktober

Di – So, Feiertag 9.00 – 18.00 Uhr

 

FÜHRUNGEN

Schloss

Während der Öffnungszeiten stündlich ab 10.00 Uhr.

Schlossbesichtigung nur mit Führung möglich.

 

EINTRITT

Schloss mit Führung und Schlossgarten

kleine Führung bis 31.12.2022

Erwachsene 6,50 €

Ermäßigte 3,30 €

Familien 16,30 €

 

große Führung bis 31.12.2022

Erwachsene 8,50 €

Ermäßigte 4,30 €

Familien 21,30 €

 

HINWEISE

Es besteht keine Maskenpflicht mehr. Wir empfehlen Ihnen, weiterhin eine Maske zu tragen. Die Maske ist ein effizientes Mittel, um sich und andere vor Infektionen zu schützen.

 

INFORMATIONEN

Schloss und Schlossgarten Weikersheim

Marktplatz 11

97990 Weikersheim

Telefon +49 (0) 79 34.9 92 95-0

info@schloss-weikersheim.de

www.schloss-weikersheim.de

www.schloesser-und-gaerten.de

 

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