CHRISTUS UND JOHANNES BEIM LETZTEN ABENDMAHL
Im ehemaligen Kloster Heiligkreuztal hat sich eine „Christus-Johannes-Gruppe“ erhalten, ein rares Zeugnis der intensiven Frömmigkeit, die um 1300 in den oberschwäbischen Nonnenklöstern herrschte. Das Kunstwerk zeigt ein Motiv aus der Geschichte des Abendmahls am Donnerstag vor Ostern. Johannes, der Lieblingsjünger Christi, beugt den Kopf und lehnt sich an die Brust Jesu. Erfasst ist damit ein besonders emotionaler Ausschnitt aus dem Geschehen beim letzten gemeinsamen Mahl Christi mit seinen Jüngern vor dem Passahfest – und damit vor seinem Leiden und Tod. Der Bibeltext, der davon berichtet, ist von hoher theologischer Bedeutung: Er enthält die Einsetzungsworte des Abendmahls. Der Tag, an dem dieses bedeutungsreiche Abendmahl stattfand, ist heute der Gründonnerstag, der Tag vor dem Karfreitag, dem Tag der Kreuzigung Christi. Er trägt seinen Namen allerdings nicht nach der Farbe, sondern vom mittelalterlichen Wort für Greinen oder Weinen.
IN INNIGER VERBUNDENHEIT
Der mittelalterliche Bildschnitzer aber hat einen anderen, ganz menschlichen Blick gewählt: den auf das Zutrauen des Johannes in Christus. Der Lieblingsjünger Jesu ist etwas kleiner dargestellt; er ruht am Herzen seines Meisters. Der Jünger hat seinen inneren Frieden gefunden und sein leicht geöffneter Blick ist in sich gekehrt. Jesus hält ihn sanft umfasst, was ein ergreifendes Gefühl der Geborgenheit und der Zusammengehörigkeit zum Ausdruck bringt. Beide Figuren tragen mit Goldborten reich verzierte farbige Gewänder: Die Falten verlaufen im selben Schwung und Rhythmus, was das Gefühl der Zusammengehörigkeit verstärkt. Für die Zisterzienserinnen fasste die Figurengruppe sicher ihre persönliche Frömmigkeit in ein packendes, sie direkt ansprechendes Bild. Das Erstaunliche: Auch für heutige Menschen ist sie in ihrer überzeitlichen Schönheit und der emotionalen Direktheit immer noch verständlich und anrührend – über die Distanz von 700 Jahren.
KOSTBARKEIT IN GROSSARTIGER ERHALTUNG
Aus dieser Zeit nach 1300 stammen mehrere dieser „Christus-Johannes-Gruppen“, heute meist in den großen Museen zu sehen. Das Exemplar, das sich im ehemaligen Zisterzienserinnenkloster in Heiligkreuztal erhalten hat, ist ein besonders schönes Stück – noch dazu am originalen Platz. Die Skulptur aus Nussbaumholz ist 101 Zentimeter hoch, 65 Zentimeter breit und an ihrer Rückseite ausgehöhlt. Weil die Figurengruppe über lange Zeit in einem Altarschrein verwahrt wurde, zeigt die Figur sogar noch die originale Bemalung aus der Zeit vor sieben Jahrhunderten. Seit einigen Jahren steht die „Johannesminne“, wie das hölzerne Andachtsbild genannt wird, gut sichtbar für Besucherinnen und Besucher in einer gotischen Nische der Chorstirnwand.
PASSIONSZEIT ALS HÄUFIGES MOTIV
Passion und Ostern sind oft Themen der Kunst, kein Wunder: Es sind zentrale christliche Themen und über viele Jahrhunderte waren die Kirchen die wichtigsten Auftraggeber der Künstler. Die Passion bietet einen großen Reichtum an emotionalen Bildmotiven. Jesu Einzug in Jerusalem, das letzte Abendmahl, die Festnahme, Verurteilung, Verspottung und schließlich die Kreuzigung des Messias waren zentrale Motive der religiösen Kunst in allen Jahrhunderten. In vielen Klöstern und Kirchen haben sich diese Werke erhalten, eindrucksvolle Zeugnisse der Frömmigkeit in früheren Zeiten und oft Meisterwerke. Für viele Menschen waren die Darstellungen des leidenden Christi wohl tröstlich – und der emotionale Gehalt der Geschichte inspirierte die Künstler durch alle Epochen besonders stark.
THEMENJAHR „LIEBE, LUST, LEIDENSCHAFT“
Die Christus-Johannes-Gruppe ist ein Zeichen tiefer christlicher Spiritualität. Sie zeigt, dass die Andacht fester Teil des klösterlichen Alltags war. Die Nonnen versetzten sich gedanklich an die Seite Christi. Sie schlüpften in die Rolle Johannes, der mit Jesus innig verbunden war und von ihm behütet wird. Im Themenjahr „Liebe, Lust, Leidenschaft. Leben in Schlösser und Klöstern“ der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg erkunden Besucherinnen und Besucher in 14 teilnehmenden Monumenten die Liebe und ihre Facetten im Wandel der Zeit ‒ von der Liebe jenseits der Ehe über tiefe Religiosität und leidenschaftliche Gottesliebe bis zur Sammelleidenschaft, die sich in Wunderkammern, Naturalienkabinetten und Gärten mit exotischen Pflanzen widerspiegelt.
SERVICE UND INFORMATION
ÖFFNUNGSZEITEN
Kloster
Ganzjährig
Mo – So, Feiertag 9.00 bis 19.00 Uhr
Klosterkirche
Ganzjährig
Mo – So, Feiertag 8.00 bis 17.00 Uhr
Museum in der Bruderkirche
1. April bis 31. Oktober
So und Feiertag 14.00 bis 17.00 Uhr
15. April geschlossen
EINTRITT
Kloster
Eintritt frei
Museum in der Bruderkirche
Erwachsene 1,00 €
Ermäßigte 0,50 €
Familien 2,50 €
HINWEIS
Ab 3. April 2022 gelten bei den Staatlichen Schlössern und Gärten Baden-Württemberg folgende Corona-Regeln:
Wir möchten auch gefährdeten Menschen und vulnerablen Gruppen weiterhin einen möglichst sicheren Aufenthalt bei uns ermöglichen. Die Maske ist ein effizientes Mittel, um sich und andere vor Infektionen zu schützen. Gerade in Innenräumen ist sonst die Ansteckungsgefahr hoch. Vor dem Hintergrund der hohen Infektionszahlen halten wir deshalb an der Maskenpflicht in Innenräumen bis auf Weiteres fest.
Bitte beachten Sie, dass für Personen über 18 Jahren die Pflicht zum Tragen von FFP2-Masken gilt (oder vergleichbar, bspw. KN95-/N95-/KF94-/KF95-Masken).
KONTAKT
Kloster Heiligkreuztal
Am Münster
88499 Altheim-Heiligkreuztal