LUDWIGSBURG UM 1800
„Mein Geburtsort ist Ludwigsburg, eine der Haupt- und Residenzstädte Württembergs. Der Tag, an welchem ich geboren wurde, war der 18. September 1786“ – so schlicht beginnt einer der wichtigsten Dichter der schwäbischen Romantik seine Autobiografie. Das „Bilderbuch aus meiner Knabenzeit“ verrät nicht nur private Gedanken und Geschichten. Justinus Kerner gelang es, die Atmosphäre des Residenzschlosses und des Lustschlosses Favorite sowie der Stadt Ludwigsburg gekonnt einzufangen: „Das prachtvolle Schloß mit seinen weiten Plätzen und Gärten, der nahe Park mit dem sogenannten Favoritschlößchen, die schattenreichen Alleen von Linden und Kastanienbäumen, die in weiten Reihen auf die Stadt zu liefen und selbst in der Stadt die schönsten Schattengänge voll Blüten und Duft bildeten, der große weite Marktplatz der Stadt selbst …“
GEDICHTE ALS ZEITVERTREIB
Der Dichter und Arzt kam als sechstes und letztes Kind von Friederike Luise und Christoph Ludwig Kerner vor 235 Jahren zur Welt. Sein Vater war Oberamtmann, ein hoher Beamter im Dienste des Herzogs. Seine Schulausbildung erhielt der junge Kerner unter anderem in Ludwigsburg und Maulbronn, wohin sein Vater versetzt worden war. Nach dem Tod seines Vaters im Jahr 1799 begann er eine Lehre als Kaufmann in der herzoglichen Tuchfabrik in Ludwigsburg. Die Arbeit wurde ihm jedoch rasch zu monoton. In seiner Freizeit fing er daher an, Gedichte zu schreiben.
PRÄGENDE JAHRE IN TÜBINGEN
1804 begann Justinus Kerner in Tübingen das Studium der Medizin und Naturwissenschaften. Eine prägende Zeit für den Ludwigsburger! Im Herbst 1806 behandelte er den berühmten Dichter Friedrich Hölderlin, der an „Wahnsinn“ litt. Ein Jahr später lernte er auf der Geburtstagsfeier des Dichters Ludwig Uhland seine spätere Frau Friederike kennen, die er liebevoll Rickele nannte. Das Paar sollte drei Kinder bekommen. 1808 schloss Kerner sein Studium ab und begab sich auf eine ausgedehnte Reise. Anschließend begann er, als Arzt zu praktizieren. Sein Beruf verschaffte ihm den Zugang zu Geisterhaftem und zur düsteren Seite der menschlichen Seele – ein wesentliches Element der schwäbischen Romantik. Justinus Kerners Stil gilt als schlicht und innig. Seine Texte sind durchtränkt von Wehmut und doch nicht ohne Humor. Sein bekanntestes Werk ist die Ballade „Der reiche Fürst“. Unter dem Titel „Preisend mit viel schönen Reden“ wurde es zur inoffiziellen Landeshymne Württembergs.
HERRLICHE FESTE BEIM SCHLOSS
1849 warf Justinus Kerner in seiner Autobiografie „Bilderbuch aus meiner Knabenzeit. Erinnerungen aus den Jahren 1786 bis 1804“ einen ausführlichen Blick zurück. Er erinnerte sich genau an seine Kindheit in Ludwigsburg. Besonders gut waren ihm die Geschichten der pompösen Feierlichkeit von Herzog Carl Eugen (1728‒1793) im Gedächtnis: „So fanden in der dem Schlosse gegenübergelegenen Favorite die ungeheuersten Feuerwerke statt, mit einem Aufwande, der dem am Hofe von Versailles gleichkam.“ Unvergesslich waren der Glanz der Geburtstagsfeierlichkeiten des württembergischen Monarchen: „In seinen früheren Zeiten schuf der Herzog oft im Winter, in den sein Geburtstag fiel, Zaubergärten, ähnlich denen, die in den Erzählungen von ‚Tausend und eine Nacht‘ vorkommen. Er ließ in der Mitte des Herbstes über die wirklich bestehenden schönsten Orangengärten von 1000 Fuß in der Länge und hundert in der Breite ein ungeheures Gebäude von Glas errichten, das sie vor der Einwirkung des Winters schützte.“
TRAUERZUG ZUM RESIDENZSCHLOSS
An den Leichenzug des Herzogs Carl Eugen – ein einschneidendes Erlebnis für ganz Ludwigsburg – erinnerte sich Justinus Kerner besonders gut: „Wachskerzen und brennende Pechkränze waren … bis zur Schloßkirche aufgestellt. Durch diese ging der Zug mit der Leiche des Herzogs, von acht schwarzbehängten Schimmeln gezogen, gefolgt von Wagen, Trabanten und Reitern, aber nicht langsam und feierlich, sondern unbegreiflicherweise rasch, dem Dunkel zu, in dem aller Erdenglanz auf immer erlischt. Der zum Himmel aufwirbelnde Rauch der Wachsfackeln und Pechkränze bildete, wie mir noch wohl im Gedächtnis steht, hoch über den Alleen, dem Schlosse und den Häusern der Stadt, in dem erhellten Nachthimmel die sonderbarsten Gestalten, gleichsam einen gespenstischen Zug, mit dem mir der Geist des Herzogs über seiner Leiche zu schweben schien.“
SOLDATENSPIELE IM SCHLOSS
Auf Herzog Carl Eugen folgte sein Bruder Ludwig Eugen, der bereits 1795 starb. Justinus Kerner schildert die Trauer, die sich über das Residenzschloss Ludwigsburg legte: „Später, als nach der Regierung des Herzogs Ludwig eine große Stille eintrat und die Räume des Schlosses sehr verlassen standen, gebrauchten wir Knaben gerade oft jenen Teil des Corps de Logis des Schlosses, wo die Gruft sich befindet, zu unsern Soldatenspielen, und blickten da oft durch das am Erdgeschoß befindliche Gitter auf den mit rotem Sammet beschlagenen Sarkophag des Herzogs Carl und die anderen fürstlichen Särge nieder.“ Der Sarg des Herzogs Carl Eugen befindet sich bis heute in der Gruft unter der Schlosskirche des Residenzschlosses Ludwigsburg. Bei Führungen und Sonderführungen der Staatlichen Schlösser und Gärten im Residenzschloss Ludwigsburg und in Schloss Favorite vermitteln die Schlossführerinnen und Schlossführern auch die Zeit um 1800: Sie schöpfen auch aus detailreichen Beschreibungen und bunten Anekdoten Justinus Kerners.
BILDNACHWEIS
Justinus Kerner, Druck nach Holzstich von Carl August Dies
Quelle: Sächsische Landesbibliothek – Staats und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB) / Deutsche Fotothek
Inventar-Nr.: Mscr.Dresd.App.2078,C517
Bildrechte: CC-BY-SA 4.0 (Creative Commons: Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International)
service und information
ÖFFNUNGSZEITEN
Residenzschloss Ludwigsburg
Mo‒So, Feiertage 10:00‒17:00 Uhr
Schlossführungen im Halbstundentakt zur vollen und halben Stunde
Dauer: ca. 60 Minuten
Modemuseum
Bis 30. September: Sa, So 10:00–17:00 Uhr
Keramikmuseum
Freitag, 1. bis Sonntag, 31. Oktober: Sa, So 10:00–17:00 Uhr
Schloss Favorite
Sonntag, 10:00–16:00 Uhr
Das Erdgeschoss ist frei zugänglich. Die Schlossräume im Obergeschoss sind im Rahmen einer Führung zu besichtigen. Diese finden stündlich statt.
EINTRITT
Residenzschloss Ludwigsburg
Erwachsene 8,50 €, ermäßigt 4,30 €, Familien 21,30 €
Inklusive Führung „Herzog“ oder „Herzogin“
Ergänzungsticket Mode- oder Keramikmuseum
Erwachsene 3,00 €, ermäßigt 1,50 €, Familien 7,50 €
Schloss Favorite Ludwigsburg
Erwachsene 5,00 €, Ermäßigte 2,50 €, Familien 12,50 €
Ausstellung „Faszination Lego!“
Legowelten der Klötzlebauer Ulm
im Grävenitz-Appartement, Alter Hauptbau und im Erdgeschoss der Ahnengalerie
bis Sonntag, 3. Oktober 2021
Sa, So, Feiertag 10:00‒17:00 Uhr
EINTRITT
Erwachsene 5,00 €, ermäßigt 2,50 €, Familien 12,50 €
HINWEISE
Für den Besuch der beiden Ludwigsburger Monumente gilt der 3G-Nachweis: Es muss eine Impfdokumentation (Impfpass oder Impfbescheinigung) über eine vollständige Impfung (vor mindestens 14 Tagen), eine Bescheinigung über eine mittels PCR-Test bestätigte Infektion (nicht älter als 6 Monate), ein negativer Corona-Test (nicht älter als 24 Stunden) einer offiziellen Teststelle (Testzentrum, Apotheke oder ähnliches) oder ein negativer PCR-Test (nicht älter als 48 Stunden) vorgelegt werden. Ausgenommen sind Kinder bis einschließlich fünf Jahre, Kinder mit sechs und sieben Jahren, die noch nicht eingeschult wurden, sowie Schülerinnen und Schüler, die als Nachweis den Schülerausweis vorzeigen können. In den Innenräumen besteht die Pflicht zum Tragen einer FFP2- oder OP-Maske. Der Abstand zu anderen Personen von mindestens 1,5 Metern ist einzuhalten. Es besteht eine Pflicht zur Erhebung und Datenverarbeitung der Kontaktdaten der Gäste zur eventuellen Infektionskettennachverfolgung gemäß § 6 Corona-Verordnung. Dies kann vor Ort oder über das Kontaktformular unter www.schloss-maulbronn.de erfolgen.
INFORMATIONEN UND BUCHUNG
Residenzschloss Ludwigsburg
71634 Ludwigsburg
Telefon +49 (0) 71 41.18 64 00
info@schloss-ludwigsburg.de