DAS GEMEINSAME FUNDAMENT
Ottomar Domnick wurde am 20. April 1907 in Greifswald geboren. Er studierte Medizin u. a. in Berlin und ließ sich anschließend in Frankfurt am Main zum Facharzt für Neurologie und Psychiatrie ausbilden. Dort lernte er seine Frau Margareta, genannt Greta, Gerhardt (1909-1991), die als Assistenzärztin arbeitete, kennen und lieben. 1938 heirateten sie. Das Arztehepaar zog nach Stuttgart und eröffnete in Bad Cannstatt die erste gemeinsame Praxis. 1945 zogen sie in die Stuttgarter Innenstadt um.
KUNSTBEGEISTERTE ÄRZTE
1939 wurde Ottomar Domnick zum Wehrdienst eingezogen. Er war an der Ostfront und in Breslau stationiert. Greta Domnick führte die Praxis weiter, bis die Räume mitsamt der Wohnung durch Bomben zerstört wurden. 1945 kehrte Ottomar Domnick aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft nach Stuttgart zurück. In der Nachbarschaft des Malers Willi Baumeister eröffneten die Domnicks ihre Praxis für Neurologie und Psychiatrie auf der Gänsheide, in der Gerokstraße, neu. Zur gleichen Zeit begann Ottomar Domnick abstrakte Gemälde zu sammeln, darunter Werke Willi Baumeisters. In den Praxisräumen fanden zunächst Ausstellungen, kleine Konzerte und „Sonntagsgespräche“ statt; er pflegte viele Kontakte zu Kunstliebhabern und Künstlern. Es war der Beginn „unruhiger und umtriebiger Jahre“: Sein kunstpolitisches Engagement führte ihn auf zahlreiche Reisen in das In- und Ausland.
KUNST AUS AFRIKA
Bereits Ende der 1930er-Jahre hatte das Ärzteehepaar erste Kunstobjekte gekauft: afrikanische Masken. Für die Domnicks war die Kunst fremder Kulturen der europäischen ebenbürtig. Damit bewies das Sammlerehepaar zur Zeit des Nationalsozialismus einen fortschrittlichen und mutigen Blick auf die Weltkulturen: Bis dato galt afrikanische Kunst als minderwertig, als „primitiv“. Für die Künstler der abstrakten Malerei waren die Masken hingegen eine Quelle der Inspiration – schon die großen Maler der klassischen Moderne wie Picasso ließen sich von außereuropäischen Kultobjekten und Motiven zu ihren farbenfrohen, ausdrucksstarken Werken inspirieren.
DAS PROJEKT „LEBEN IM MUSEUM“
Die Kunstsammlung der Domnicks wuchs mit der Zeit, wie auch ihr Wunsch, mit der Kunst zu leben. Auf der Oberensinger Höhe in Nürtingen setzten sie das Projekt „Wohnen im Museum“ um: Ab 1967 ließen sie auf dem weitläufigen Anwesen eine Villa errichten, in der sich moderne Betonarchitektur, zeitgenössische Möbel und abstrakte europäische Kunst zu einer künstlerischen Einheit verbanden. Für die Gestaltung der Innenräume der Villa nutzten Domnicks auch die einzigartigen afrikanischen Masken: Sie rhythmisieren und akzentuieren die Hängung der Gemälde – bis heute. Ab 1977 legte das Ehepaar im Westen des Grundstückes zudem einen Skulpturengarten an. Entsprechend ihrem Ziel, Kunst und Natur in Verbindung zu bringen, statteten die Domnicks die Fläche mit Kunstwerken aus: 32 Plastiken aus Metall – Stahl, Eisen, Bronze – finden ihren Platz auf dem Gelände, darunter die Skulptur „Geharnischter Kopf“ von Lothar Fischer aus dem Jahr 1980.
EINE KUNSTSAMMLUNG FÜR ALLE
Ottomar Domnick starb am 14. Juni 1989, zwei Jahre vor seiner Ehefrau Greta. Er erhielt eine Seebestattung in der Ostsee. Das einmalige Ensemble in der idyllischen Landschaft der Schwäbischen Alb vererbte das Paar dem Land Baden-Württemberg. Die „Stiftung Domnick“ widmet sich der Pflege des Anwesens und der Sammlung. Im Skulpturengarten erinnert die Plastik „Paar“ von Karl-Heinz Türk an das kunstbegeisterte Ehepaar: Das Land Baden-Württemberg widmete sie den Stiftern der „Sammlung O. und G. Domnick“. Seit 2017 wird die Sammlung von den Staatlichen Schlössern und Gärten Baden-Württemberg betreut. Ein vielfältiges Veranstaltungs- und Führungsprogramm für Kinder und Erwachsene vermittelt allen Gästen das besondere Gesamtkunstwerk der Moderne.
THEMENJAHR „EXOTIK. FASZINATION UND FANTASIE“
Mit dem Themenjahr „Exotik. Faszination und Fantasie“ erkunden die Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg in diesem Jahr die Wege von duftenden Gewürzen, kostbar gearbeitetem Kunsthandwerk und außergewöhnlichen Pflanzen nach Europa. Auch die Kehrseite der Medaille wird beleuchtet: Die europäische Neugier und Besitzgier, der Wissens- und Expansionsdrang führten zu Gewalt und Ausbeutung von Mensch und Natur. In ganz Baden-Württemberg beteiligen sich 14 Monumente – die Bandbreite reicht von der Heuneburg, der keltischen Metropole Pyrene bis zur Sammlung Domnick mit abstrakter Kunst der Nachkriegszeit sowie als Kooperationspartner der Zoologisch-Botanische Garten Wilhelma in Stuttgart.
INFORMATION
Aktuell ist die Sammlung Domnick wie alle Monumente der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg sowie Kultur- und Freizeiteinrichtungen des Landes geschlossen.