Freitag, 5. März 2021

Residenzschloss Ludwigsburg | Allgemeines Digitaler Zwilling für das einzigartige historische Schlosstheater

Mit avancierten Scan-Verfahren und viel Rechnerkapazität ist derzeit das Höchstleistungsrechnungszentrum der Uni Stuttgart im historischen Schlosstheater unterwegs. Daraus entsteht ein digitales Modell des Theaters mit der ältesten funktionstüchtigen Bühnentechnik der Welt – ein virtueller Zwilling des 250 Jahre alten Schlosstheaters.

DAS THEATER WIRD VIRTUELL

Es ist ein ungewöhnlicher Schatz und von einzigartiger Bedeutung: Das Schlosstheater Ludwigsburg verfügt über die älteste noch funktionstüchtige Bühnenmaschinerie der Welt. Seit dem 18. Jahrhundert lässt sich mit der raffinierten Konstruktion aus Holz und Seilen die gesamte Bühnentechnik bedienen. Jetzt wird das Theater digital erfasst und zugleich entsteht ein Handbuch, dass den Umgang mit der kostbaren Technik dokumentiert. Stephan Hurst: „Das Theater in seiner Gesamtheit ist eine so kostbare Rarität. Wir wollen dieses einzigartige historische Monument maximal schützen und bewahren für die Zukunft – und es zugleich durch die digitale Technik so erschließen, dass verständlich wird, was für ein Meisterwerk aus der Zeit vor 250 Jahren sich hier im Residenzschloss erhalten hat“.

 

AVANCIERTE TECHNIK IM ALTEN THEATER

Was geschieht zur Zeit? Das Residenzschloss ist, wie alle Monumente des Landes, wegen der Corona-Pandemie noch nicht wieder geöffnet. Die Schlossverwaltung nutzt die ruhige Zeit für konzeptionelle Vorbereitungen und um Projekte voranzutreiben, die während des vollen Besucherbetriebes nicht leicht umsetzbar wären. Die digitale Erfassung des Theaters gehört dazu: Die Techniker und Wissenschaftler des Höchstleistungsrechnungszentrums der Universität Stuttgart in Vaihingen (HLRS) nehmen über mehrere Wochen mit einem 3D-Scanner das Innere des Theaters millimetergenau auf. Was wie eine Kamera auf einem Stativ aussieht, ist in Wirklichkeit avancierte Technik, die das „HLRS High Performance Computing Center Stuttgart“ in den Mauern des 18. Jahrhunderts einsetzt. Dr. Uwe Wössner, der Leiter des Projektes, versucht, für Laien verständlich zu erklären, was derzeit geschieht: „Bei dieser Technik werden, vereinfacht beschrieben, mittels Laser die Oberflächen der Räume abgetastet.“ In einem weiteren Schritt setzt der Rechner dann die räumlichen Informationen zu einem Gesamtmodell zusammen.

 

VIRTUELLER BÜHNENBETRIEB

„Aus diesen ‚Punktwolken‘ kann dann das Theater mit seiner gesamten Maschinerie in virtueller und in erweiterter Realität dargestellt werden“ ergänzt Uwe Wössner. Erweiterte Realität bedeutet: Das Modell kann „bespielt“ werden wie die reale Theaterbühne. Das digitale Theatermodell wird nach der Erfassung so animiert werden, dass die Bühnenmaschinerie wie in der Realität bewegt werden kann. Dann wird es möglich sein, in virtueller Realität einen Eindruck davon zu bekommen, wie die Theaterstücke auf der Bühne der Zeit von Herzog Carl Eugen oder König Friedrich aussahen. Man wird hinter die Bühne und die Kulissen schauen können und die komplexe historische Bühnenmaschinerie lässt sich im Modell bedienen und bewegen.

 

LUDWIGSBURG UND VERSAILLES

Teil des Projektes ist es, das verschiedene Fachbereiche der Universität Stuttgart eine interdisziplinäre Forschungskooperation zwischen Wissenschaftlern aus ganz Europa anstreben. Beteiligt ist, neben Dr. Uwe Wössner, Leiter der Visualisierungsabteilung am HLRS, Professorin Kirsten Dickhaut vom Institut für Literaturwissenschaft an der Universität Stuttgart. Es gibt erste Gespräche mit Kollegen aus Frankreich, die Parallelen zur Königlichen Oper des Schlosses in Versailles erforschen wollen. Uwe Wössner: „Das Projekt des digitalen Zwillings hat großes Potential, langfristig als Grundlage für Forschung zwischen ganz unterschiedlichen Disziplinen aus Ingenieurs-, Geistes- und Sozialwissenschaften zu dienen.“

 

FORSCHUNG DIENT DEM MONUMENT
Für Stephan Hurst bringt die Kooperation mit den Hochschulinstituten viel Positives für die künftige Betreuung und die Präsentation des Schlosstheaters. „Wir erfahren viel über die Funktionsweise und das Ineinandergreifen der Technik – ohne etwas anfassen zu müssen. Das schützt das einzigartige Denkmal.“ Für die Besucherinnen und Besucher ist der Gewinn besonders groß: „Künftig kann man das Theater lebendig werden lassen – der digitale Zwilling macht es möglich. Nach den ersten Modellskizzen sieht das sehr eindrucksvoll aus. Das virtuelle Modell erlaubt Vorführungen, die im fragilen Original nicht möglich sind.“ Und auch die Forschung ist von Interesse: Denn die Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg fördern und beobachten ständig die Erforschung der Monumente und verwenden den Wissenszuwachs, um die Präsentation etwa von Schloss Ludwigsburg immer weiter zu entwickeln.

 

MANUAL FÜR DIE BÜHNE

Parallel hat die Schlossverwaltung Ludwigsburg das veranstaltungstechnische Fachplanungsbüro „Klarmacher“, beauftragt, ein Bedienungshandbuch für die historische Bühne zu entwickeln. Klarmacher ist eine Fachplanungseinheit der Firma Lautmacher, die schon seit über 15 Jahren das Schloss in Sachen Veranstaltungstechnik betreut. „Für mich ist dieser Auftrag eine besondere Herzensangelegenheit, da diese Mechanik, die die Grundlage der heutigen Bühnentechnik ist, so nirgends anders mehr zu finden ist. Ein Juwel.“ so Daniel Wöber, der projektleitende Bühnenmeister der Firma Klarmacher. Gemeinsam mit den Restauratoren der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg analysieren sie die historische Technik und formulieren daraus ein Manual mit präzisen Anweisungen, wie die Bühne genutzt und in Stand gehalten werden kann. „Das Schlosstheater ist wegen seiner unglaublichen Atmosphäre mit 250 Jahren Theatergeschichte einfach ein begehrter Spielort. Und dass es das noch für viele Generationen bleiben kann, daran arbeiten wir gerade“, erklärt Stephan Hurst.

 

INFORMATION
Aktuell ist das Residenzschloss Ludwigsburg wie alle Monumente der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg sowie Kultur- und Freizeiteinrichtungen des Landes mindestens bis auf Weiteres geschlossen.

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