EINE KÖNIGLICHE KINDERSTUBE
Am 6. März 1823 wurde Karl Friedrich Alexander von Württemberg als einziger Sohn König Wilhelms I. (1781–1864) geboren. Von seiner Mutter Pauline (1800–1873) wurde der junge Monarch verwöhnt. Der anspruchsvollen königlichen Erziehung brachte der Thronfolger jedoch nur geringes Interesse entgegen. Der württembergische Hofprediger beschrieb Karl als unaufmerksam und wenig fleißig. Auf sein Umfeld wirkte der Kronprinz oft geistig abwesend und temperamentlos. Mitten im Gespräch verlor er gelegentlich die Lust und brach die Unterhaltung dann plötzlich ab. Auch während seines Studiums in Tübingen und Berlin galt er seiner Umgebung als ziellos und kindlich. Für seinen Vater, den unermüdlichen Politiker König Wilhelm I., zeigte der zarte Sohn zu wenig staatsmännisches und militärisches Profil.
ZWISCHEN ARBEITSEIFER UND TRÄGHEIT
Nach dem Tod des Vaters übernahm Karl am 12. Juli 1864 die Amtsgeschäfte als König. Auf Monate mit großem Arbeitseifer und hoher Konzentration folgten Phasen, in denen der König träge und gleichgültig wirkte. Bald stapelten sich nicht unterschriebenen Papiere auf seinem Schreibtisch – seinen Ministern ließ das freie Hand. Nach und nach delegierte der König immer mehr Aufgaben an sie. Das Land profitierte von dieser Haltung des Monarchen: Seine freie Art wirkte modernisierend auf Württemberg. In den ersten Regierungsjahren stellte der König die Presse- und Vereinsfreiheit wieder her und führte das allgemeine, gleiche und geheime Wahlrecht ein. Die Rechte der Katholiken waren ihm besonders wichtig. Den scharfen Kampf Bismarcks gegen Katholiken und Sozialdemokraten entschärfte König Karl für Württemberg.
LIBERALER ODER EINFÄLTIGER MONARCH?
Die Urteile der Zeitgenossen über den König gingen weit auseinander. Die einen lobten Karl I. als liberalen König, der nicht dem veralteten Ideal einer absoluten Monarchie anhing. Zar Nikolaus, sein Schwiegervater, rühmte das „Edle in seiner Haltung wie in seinem Auftreten“. Der bayerische Gesandte in Stuttgart hielt Karl I. hingegen für einen „Einfaltspinsel“ und für „kaum erwähnenswert“. Am Hof und in der Regierung wurde das schlechte Urteilsvermögen und das mangelnde Interesse des Königs hinter vorgehaltener Hand kritisiert. Der königliche Leibarzt vermerkte: „Meist schwebt sein Geist über den Wolken und seine Füße stehen nicht auf dem festen Boden der wirklichen Verhältnisse.“
EINE KINDERLOSE EHE
Schon als Kind galt Karl als kränklich; seit seiner Jugendzeit litt er an Depressionen. Als er 1846 die junge russische Großfürstin Olga heiratete, war die Freude in der Familie und im Volk groß. Nach einer ersten harmonischen Phase verschlechterte sich die Beziehung der beiden. Die Stimmungsschwankungen und das unbeholfene Verhalten ihres Mannes enttäuschten die junge Russin. Das Paar blieb kinderlos, vermutlich aufgrund einer Geschlechtskrankheit Karls I. Immer deutlicher wurde im Lauf der Jahre die homosexuelle Neigung des Königs. Als die Affären die politische Ebene erreichten – er erhob einen Günstling in den Adelsstand – und ein Skandal kaum noch vermeidbar war, zog sich Karl fast ganz ins Private zurück.
DER HAUPTSTADT DEN RÜCKEN GEKEHRT
Seit 1880 hielt sich König Karl I. kaum noch in Stuttgart auf. Die Sommermonate verbrachte er in Kurorten und Seebädern, in Friedrichshafen oder an der Riviera. Hier kurierte der König seine zahlreichen Krankheiten aus. Dabei vermied er die Politik so gut wie möglich. Selbst Zeitungen las er nicht – die Zeit verbrachte er stattdessen mit Spaziergängen, Kartenspielen und Affären. Häufig war er länger als ein halbes Jahr vom Regierungssitzung in Stuttgart entfernt. In Bebenhausen lebte der König viele Wochen, vor allem im Herbst, denn auch hier konnte er der Beobachtung durch den Hof und den Regierungsgeschäften entfliehen.
BEBENHAUSEN ALS KÖNIGLICHES REFUGIUM
Bereits 1807 hatte der erste württembergische König Friedrich (1754–1816), Karls Großvater, das Abtshaus des Klosters Bebenhausen zu einem Jagdschloss umbauen lassen. Karls Vater König Wilhelm I., ebenfalls ein begeisterter Jäger, hatte mit ersten konservatorischen Eingriffen das mittelalterliche Kloster vor dem Verfall bewahrt. König Karl schließlich ließ den gesamten südöstlichen Gebäudetrakt erneuern und das ehemalige Gäste- und Krankenhaus zu Schloss Bebenhausen ausbauen. Die Räume ließ er sich nach seinen Wünschen und Vorstellungen im typisch historistischen Stil der Zeit mittelalterlich einrichten. Weil Karl in Tübingen studiert hatte, kannte er Bebenhausen und die Umgebung gut. Oft waren Tübinger Professoren seine Gäste im Schloss. Nach König Karl wohnte in Bebenhausen das letzte württembergische Königspaar Wilhelm II. und seine Ehefrau Charlotte. Mit dem Ende der Monarchie 1918 hatten sie das einstige Kloster als Ort des Rückzugs gewählt.
INFORMATION
Aktuell ist das Kloster und Schloss Bebenhausen wie alle Monumente der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg sowie Kultur- und Freizeiteinrichtungen des Landes geschlossen.