FACHMANN FÜR HISTORISCHE UHRWERKE
Die aufwendigen Restaurierungsarbeiten des Uhrwerkes der Standuhr aus der Zeit um 1745 übernimmt Uhrmachermeister Christian Schnurbus, seit zehn Jahren spezialisiert auf die Restaurierung historischer Uhren. „Uhren waren schon seit meiner Kindheit meine Leidenschaft, ich habe schon während der Schulzeit an ihnen herumgeschraubt. Professionell wurde es aber erst in meiner Ausbildung, die ich nach dem Abitur 2007 begonnen habe“, erklärt Christian Schnurbus. An die Meisterprüfung 2011 schloss er noch eine Weiterbildung als Restaurator für historische Uhren an – seitdem ist er freiberuflich, unter anderem auch für Museen, tätig. Sein Schwerpunkt liegt vor allem auf der Erforschung der kurfürstlichen Hofuhrmacher und ihrer Werke.
kenntnisse international gefragt
Christian Schnurbus‘ Fachwissen ist international gefragt: 2012 restaurierte er zusammen mit Fachkollegen in der Eremitage und Schloss Peterhof in St. Petersburg historische Uhren aus der Zarenzeit. Seit 2017 ist er für die Stiftung Schloss Benrath in Düsseldorf als freiberuflicher Restaurator für die dortige Uhrensammlung tätig. Außerdem wartet im Schloss eine besondere Aufgabe auf Christian Schnurbus: Einmal in der Woche zieht er alle 25 Uhren inklusive der großen Schlossuhr auf, damit die tickenden Uhrwerke Leben in die historischen Räume bringen und den Besuchern einen authentischen Raumeindruck vermitteln. Ebenfalls seit 2017 ist Christian Schnurbus für die Dombauhütte Köln tätig, wo er die Position des Domuhrmachers innehat und die historische Domuhr aus dem Jahr 1879 pflegt und täglich aufzieht.
UHRMACHER JAKOB MÖLLINGER
Die von den Staatlichen Schlössern und Gärten erworbene Standuhr, eine Auftragsarbeit für Kurfürst Carl Theodor, stammt von Johann Jacob Möllinger, der bereits unter Kurfürst Carl Philipp für den Mannheimer Hof tätig war. Möllinger, geboren am 4. Dezember 1695 in Dühren bei Sinsheim, erlernte das Uhrmacherhandwerk in Frankenthal und zog 1721 nach Neustadt auf der Haardt. Seine Werkstatt, die aus bis zu zehn Gesellen bestand, lieferte Uhren weit über Deutschland hinaus – bis nach Nordamerika. Unter anderem Turmuhren waren sein Spezialgebiet: So stammt etwa die Uhr des Altpörtels in Speyer sowie der Dreifaltigkeitskirche in Worms von ihm. Auch für die kurfürstliche Sommerresidenz in Schwetzingen lieferte Möllinger eine Uhr: Das Schloss erhielt 1763 eine neue Turmuhr. Sie wurde 1968 stillgelegt und durch eine elektromechanische Uhr ersetzt – das originale Uhrwerk ist jedoch weitgehend noch am alten Platz erhalten. Jacob Möllinger hatte acht Söhne und eine Tochter, die alle den Beruf des Uhrmachers erlernten und an verschiedenen Höfen tätig waren. Berühmtester Vertreter war sicherlich sein Sohn Christian Möllinger, (1754-1799). Er kam nach Berlin und wurde 1780 Oberhofuhrmacher von König Friedrich Wilhelm II. Johann Jacob Möllinger starb am 17. Januar 1763 in Neustadt.
KUNSTWERK AUS MESSING UND STAHL
Fast 2,80 Meter hoch und mit kostbarer Marketerie aus unterschiedlichen Hölzern belegt – die Uhr des Kurfürsten ist ein außergewöhnliches Kunstwerk. Sie besitzt ein aufwendiges, massives Werk aus Messing und Stahl, in dem drei verschiedene Funktionen untergebracht sind: Zeitanzeige, Schlagwerk und Glockenspiel. Diese Funktionen werden von Gewichten angetrieben, die durch den hohen Uhrenkasten ihre Fallhöhe erhalten. Das eigentliche Uhrwerk zeigt auf einem reich dekorierten Zifferblatt Stunde, Minute und Sekunde an; das Schlagwerk besteht aus einem Viertelstundenschlagwerk auf zwei Glocken. Von höchster Qualität ist das Spielwerk: Es spielt zwölf Tanzmelodien auf vierzehn Glocken. Jede Melodie dauert etwa 45-50 Sekunden und kann stündlich, zu einem selbst gewählten Zeitpunkt oder auf Auslösung von Hand erklingen. Eine große Messingwalze, die oberhalb des Uhrwerkes quer gelagert ist, besitzt Hunderte winzige Messingstifte, die die Hämmer in Bewegung setzen – eine Meisterleistung, solche exakten Melodienfolgen auf so wenig Platz unterzubringen.
TECHNIKBEGEISTERTER KURFÜRST
An vielen Uhren, die Kurfürst Carl Theodor zugeschrieben werden oder gesichert aus seinem Besitz stammen, sind aufwendige technische Spielereien vorhanden. Dies belegt auch die Annahme, dass der Kurfürst von Uhren und technischen Geräten begeistert war und seine Handwerker zu solchen Höchstleistungen ermunterte. Das galt auch für seinen Auftrag an Jacob Möllinger: Als Besonderheiten sind bei der Bodenstanduhr die Vielfältigkeit der Einstellungen – das Ein- und Ausstellen des Schlagwerks und das Abspielen des Spielwerks nur zu einem bestimmten, über ein kleines Zifferblatt wählbaren Zeitpunkt – zu nennen, außerdem das große Repertoire der Musikstücke sowie die Möglichkeit, das Glockenspiel in seiner Lautstärke über kleine Filze, die sich an die Glocken legen, zu dämpfen.
FUNKTIONSTÜCHTIGKEIT WIRD ERNEUERT
„Die Qualität des Uhrwerks ist außergewöhnlich hoch und äußerst dauerhaft ausgeführt“, erklärt Christian Schnurbus, der mit der Restaurierung der kurfürstlichen Standuhr beauftragt ist. „Die Glocken haben trotz ihres Alters einen sauberen Klang, lediglich eine ist stumm – hier muss sich bei der Restaurierung zeigen, ob sie nur falsch eingebaut ist oder über die Jahre einen feinen, unsichtbaren Riss bekommen hat, was bei diesem Alter normal ist.“ Zur Herstellung der Funktionstüchtigkeit muss nun das alte Öl und der auflagernde Staub entfernt werden. Diese Arbeit erfordert ein komplettes Zerlegen in alle Einzelteile, Reinigen von Hand, Konservieren der Bestandteile, Montage und bestmögliche Befestigung. Außerdem werden die Zugseile erneuert, da die alten Darmsaiten als Verschleißteile beschädigt sind und die schweren Antriebsgewichte nicht mehr sicher tragen können. Mehrere hundert Stunden Arbeitszeit wird Christian Schnurbus wohl dafür benötigen. „Die äußert aufwendige Restaurierung des Uhrwerkes lassen wir gerne durchführen, um unseren Gästen des Schlossmuseums das eindrucksvolle Spielwerk vorzuführen und die zwölf verschiedenen Melodien wieder erklingen zu lassen“, erläutert Dr. Uta Coburger, die Konservatorin von Schloss Mannheim.
INFORMATION
Schloss Mannheim ist nach der aktuellen Corona-Verordnung des Landes wie alle Monumente der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg zur Zeit geschlossen.
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