NUR ZUR DEKORATION
Für viele Städte, Dörfer und Flecken Württembergs sind es die allerfrühesten Darstellungen, die sich überhaupt erhalten haben. Die farbigen Ortsansichten von Andreas Kieser (1618-1688) gehören zu den bekanntesten Quellen der württembergischen Geschichte. Sie geben einen lebendigen Einblick in das Herzogtum Württemberg um 1685. Doch eigentlich hatten sie in seinem Werk, einem Bestandsverzeichnis über die bewirtschafteten Wälder des Landes, nichts verloren. Am 10. Februar 1683 gab Kieser in einem Brief selbst Auskunft, warum er die Städte, Schlösser und Klöster in seinem Forstlagerbuch zeichnete: „So seind auch alle Stätt, Dörfer, Fleckhen, Schlösser und Höff, welche in jedem Vorst ligen undt gehören, ... in offtermelten newen Vorstbüchern, undt zwar nicht alß ein nothwendige Sach, sondern nur zur Zierde in idem Vorstbuch conterfaytisch nach dem Leben gerissen und mit Farben illuminirt mit eingebracht worden." Notwendig oder gar verlangt wurden die bunten Zeichnung nicht, „nur zur Zierde“ malte sie Kieser in sein Inventar.
IM AUFTRAG DES HERZOGS
Kieser war eigentlich kein Maler, sondern Soldat. Als Obristleutnant war er verantwortlich für die württembergische Artillerie und die Festungen des Herzogtums. Von der herzoglichen Regierung in Stuttgart erhielt er den Auftrag, die württembergischen Forste neu zu vermessen. Flächengrößen, Grenzen, Hoheitsrechte, Besitzverhältnisse und Nutzungsansprüche sollten von ihm erkundet und erfasst werden. Für seine Arbeit benötigte er mehrere Jahre. Das mehrbändige Forstlagerbuch entstand zwischen 1680 und 1687.
WÜRTTEMBERGM AM ENDE DES 17. JAHRHUNDERTS
Am Anfang eines jeden Forstverzeichnisses malte Kieser die dazugehörigen Orte. Die Bilder sind jedoch keine Fotografien, sie halten vielmehr das Typische fest: Markante Gebäude wie Kirchen, Rathäuser oder Schlösser malte Kieser individuell, die anderen Bauwerke hielt er eher allgemein. Die Ansichten zeigen daher häufig mehr die charakteristische Typologie eines Ortes als einzelne Häuser – und so erkennt man fast 350 Jahre später auch geographische Besonderheiten und die markanten Bauwerke und Ortssilhouetten.
KLOSTER BEBENHAUSEN
Das Kloster Bebenhausen fügt sich heute wie damals wohl in die umliegende Landschaft. Die Klosterkirche mit ihrem hohen Turm sticht als architektonischer Höhepunkt hervor. Kloster Bebenhausen beherbergte zur Zeit Kiesers eine Klosterschule. Dort wurde der theologische Nachwuchs des Herzogtums Württemberg unterrichtet. Die Klosterkirche war nach der Reformation teilweise abgebrochen worden; dadurch wurde das Kirchenschiff kürzer. Erst im 19. Jahrhundert begannen größere Umbauarbeiten an der Klosteranlage – die Württembergischen Herrscher machten Bebenhausen zu ihrem Jagdschloss.
SCHLOSS KIRCHHEIM
Schloss Kirchheim ist auf Kiesers Zeichnung der Stadt Kirchheim unter Teck gut zu erkennen: Im Bild liegt es in der Mitte, direkt an der Stadtmauer. Vor dem Schloss verläuft ein Wassergraben. Ab 1538 diente das Schloss als Eckbefestigung der Stadt, Kirchheim unter Teck war zu dieser Zeit eine der „Landesfestungen“, militärische Anlagen, die das Herzogtum und seine Hauptstadt Stuttgart in weitem Bogen um das Zentrum des Landes gegen einmarschierende feindlichen Heeren sichern sollten. Im Laufe des 17. Jahrhunderts verlor das Schloss seinen militärischen Wert – es wurde zum Jagdschloss und Witwensitz. Seit dem 17. Jahrhundert verbrachten sechs Herzogswitwen dort ihren Lebensabend. Das Aquarell Kiesers zeigt die Stadt vor dem Stadtbrand von 1685. Diese Katastrophe überstanden nur wenige Kirchheimer Gebäude – darunter das Schloss.
FESTUNGSRUINE HOHENNEUFFEN
Auch die Festung Hohenneuffen war vom 15. Jahrhundert bis 1795 eine der großen Landesfestungen des Herzogtums. Sie thront an strategisch günstiger Stelle auf einem Felsen vor dem steilen Aufstieg der Schwäbischen Alb. Neben der Verteidigungsfunktion diente die Festung auch als Gefängnis. Der bekannteste Insasse war wohl Joseph Süß Oppenheimer (1689-1738), verächtlich auch „Jud Süß“ genannt. Er war Finanzier und Berater von Herzog Karl Alexander. Nach dem Tod des Herzogs führten judenfeindliche Anschuldigungen zu seiner Hinrichtung. Die Festung blieb noch lange in dem von Kieser gemalten Zustand. 1803 begannen die Abbrucharbeiten – die Festung wurde zur Festungsruine – der Zustand, in dem sie heute weithin in der Alblandschaft sichtbar ist. Historische Sternstunde für das Land: 1948 fand in der Festungsruine Hohenneuffen die sogenannte Dreiländerkonferenz statt. Das Arbeitstreffen in historischer Atmosphäre bildete den ersten Schritt einer Annäherung der Länder Baden, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern. Wenige Jahre später wurde das heutige Bundesland Baden-Württemberg gegründet.
BILDNACHWEIS
Kloster Bebenhausen
Vorlage und Aufnahme: Hauptstaatsarchiv Stuttgart
Signatur: HStAS H 107/18 Bd. 52 Bl. 17
Schloss Kirchheim
Vorlage und Aufnahme: Hauptstaatsarchiv Stuttgart
Signatur: HStAS H 107/7 Bd. 5 Bl. 5
Festungsruine Hohenneuffen
Vorlage und Aufnahme: Hauptstaatsarchiv Stuttgart
Signatur: HStAS H 107/7 Bd. 5 Bl. 8
Das Hauptstaatsarchiv Stuttgart erlaubt die Nutzung der beigefügten Bilder, sofern in der Bildunterschrift oder im Abbildungsnachweis der Vermerk „Vorlage und Aufnahme: Hauptstaatsarchiv Stuttgart“ mit genauer Signatur erscheint.
INFORMATION
Alle Monumente der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg sind nach der aktuellen Corona-Verordnung des Landes bis mindestens 14. Februar 2021 geschlossen.
www.kloster-bebenhausen.de
www.schloss-kirchheim.de
www.festungsruine-hohenneuffen.de
www.schloesser-und-gaerten.de