Mittwoch, 9. Dezember 2020

Schloss Favorite Rastatt | Allgemeines Auktionserfolg für die Favorite: Meißen-Kanne aus ehemals markgräflichem Besitz

Konservatorin Dr. Petra Pechaček ist es gelungen, eine seltene Porzellankanne aus ehemals markgräflichem Besitz zu ersteigern: Das kostbare Stück aus frühester europäischer Manufakturproduktion kam am 3. Dezember in London bei Bonhams zur Auktion – und geboten wurde digital. Im nächsten Jahr wird die feine Meißen-Kanne in Schloss Favorite zu sehen sein.

DIE MARKGRÄFIN SAMMELTE AUF HOHEM NIVEAU

Um 1725 entstand die Kaffeekanne, ein graziöses Stück aus der ganz frühen Zeit der berühmten Manufaktur Meißen. Damals war in Europa gerade erst das Porzellan erfunden worden. Markgräfin Sibylla Augusta war unter den ersten, die die Kostbarkeiten aus Sachsen sammelten – und das gelang ihr auch, weil sie gute Beziehungen zum sächsischen Herrscher August dem Starken hatte. In den Rastatter Schlössern haben sich viele Stücke aus den überwältigenden Sammlungen der Fürstin erhalten. Sibylla Augusta hatte sich spezialisiert auf bestimmte Sparten des Kunsthandwerks im frühen 18. Jahrhundert. Porzellan und Fayence aus Asien und Europa war einer ihrer Schwerpunkte. Dafür war sie bekannt – und ihre schon vor 300 Jahren exquisiten Sammlungen sind heute noch zu großen Teilen vor allem in ihrem Lustschloss Favorite zu sehen.

 

AUKTIONEN IN BADEN-BADEN 1995 UND HEUTE IN LONDON

Die Kaffeekanne hat eine lupenreine „Provenienz“, wie der Begriff im Kunsthandel und in den Museen lautet. 1995 war sie in der großen Auktion der Markgrafen von Baden im Angebot. Damals hatten die Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg mit ihrem beschränkten Ankaufs-Etat eine Auswahl treffen müssen, welche von den vielen Stücken, die zur Ausstattung der badischen Schlösser in direkter Beziehung standen, erworben werden konnten. 1995 musste daher die Entscheidung gegen die Meißen-Kanne fallen. Nun tauchte das Stück, die letzten 25 Jahre in einer Privatsammlung aufbewahrt, wieder im Auktionshandel auf, in hervorragendem Zustand. Für Dr. Petra Pechaček, als Konservatorin der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg für die Rastatter Schlösser zuständig, war klar, dass sie diese Chance ergreifen musste.

 

FRÜHES PORZELLAN UND EINE NEUE KULTUR

Um 1725 entstand die Kanne. Damals experimentierte man noch mit den Gefäßformen für die neuen Getränke wie den exotischen Kaffee: In Europa gab es dafür keine Muster und Vorbilder. Das neue Material Porzellan eignete sich perfekt für das heiße Getränk – viel besser als Metall. Und Feinheit und geheimnisvoller Glanz luden dazu ein, luxuriöse neue Geschirrensembles zu erfinden – und die wurden bald zum Allgemeingut, bis zum heutigen Kaffeegeschirr. Wie luxuriös damals Porzellan war, lässt sich auch daran erkennen, dass man die Meißen-Kanne Elias Adam, einem der führenden Augsburger Goldschmiede in die Hand gab. Der montierte eine feine vergoldete Fassung für den Deckel und den Ausguss und erhöhte dadurch nochmals den Glanz des Stückes.

 

EXOTISCHE WELTEN IN MEISTERHAFTEN MALEREIEN

Was aber als Erstes auffällt, sind die Malereien auf der Kanne. Sie stammen von einem der berühmtesten Maler der Porzellankunst: von Johann Gregorius Höroldt. Wer einmal seine chinesischen Fantasiegestalten gesehen hat, wird seine Meisterwerke in jeder Sammlung wiedererkennen. Höroldt bannte märchenhafte Szenen auf die Wölbungen der Gefäße, fantastische Bilder aus einem China, wie man es aus den Schilderungen der Händler, Entdecker und Missionare kannte. Die perfekte Ergänzung sind die Blüten– auch sie sind exotisch, sogenannte „indianische“ Blumen, und kleine Insekten. „Chinoiserie“ nennt man die Mode, die über Jahrhunderte zu Meisterwerken der Kunst führte, inspiriert vom Bild exotischer Kulturen. „Da wird die wunderbare Kanne sicher eine Rolle im nächsten Jahr spielen, wenn es bei uns im Themenjahr 2021 um Exotik geht“, erklärt Konservatorin Petra Pechaček.

 

ERGÄNZUNG FÜR DIE SAMMLUNGEN IN SCHLOSS FAVORITE

Ab Frühjahr wird die Meißen-Kanne die reichen Sammlungen in Schloss Favorite ergänzen. Die Markgräfin errichtet ab 1710 dieses Schloss, auch als Ort, an dem sie ihre Sammlungen zeigen wollte. Vieles von ihren Schätzen hat sich erhalten – und die Fülle macht den besonderen Reiz der Favoite aus. Die Kanne, die jetzt von den Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg erworben werden konnte, stammt aus der Zeit, als Markgräfin Sibylla Augusta frühe Meißner Porzellane für ihre Schwiegertochter Anna Maria von Schwarzenberg kaufte. Im 19. Jahrhundert war sie Teil der „Allerhöchsten Privatsammlung kunstgewerblicher Gegenstände“ im Großherzoglichen Residenzschloss Karlsruhe, ab 1879 im dortigen „Zähringer Museum“ ausgestellt. Schloss Favorite ist im Übrigen einzigartig: Nirgendwo sonst hat sich diese Verbindung von Bauwerk und Sammlungen so erhalten, auch wenn es am Beginn des 18. Jahrhunderts an mehreren Höfen solche kostbaren Ensembles gab.

 

BILDRECHTE für die Fotos der Meißen-Kanne: Bonhams, London

 

INFORMATION 
Schloss Favorite Rastatt ist im Winter geschlossen.

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