Dienstag, 28. April 2020

Schloss Heidelberg | Allgemeines 5. Mai 1908: Carl Schäfer, der Architekt des erneuerten Friedrichsbaus, stirbt

Carl Wilhelm Ernst Schäfer – gestorben am 5. Mai 1908 in Carlsfeld, Sachsen – war Architekt und Hochschullehrer. Im Auftrag des badischen Großherzogs Friedrich I. leitete er ab 1894 den Wiederaufbau des Friedrichsbaus. Seine weiteren Pläne zur Rekonstruktion für den Gläsernen Saal- und den Ottheinrichsbau des Heidelberger Schlosses wurden abgelehnt.

DER ARCHITEKT DES WIEDERAUFBAUS

Carl Schäfer, geboren 1844 in Kassel, absolvierte ein Ingenieurstudium, an das er bis 1862 ein Architekturstudium an der Höheren Gewerbeschule Kassel anschloss. Schäfer wurde Bauleiter bei Sanierungsprojekten, war Universitäts- und Stadtbaumeister in Marburg und von 1878 bis 1885 beim Preußischen Ministerium für Handel, Gewerbe und Öffentliche Arbeiten in Berlin tätig. 1878 habilitierte er sich und wurde Privatdozent an der Berliner Bauakademie, die 1879 in die Technische Hochschule Charlottenburg überging. 1884 erfolgte die Ernennung zum Professor; seit 1885 lehrte er in Nachfolge von Johannes Otzen Baukunst des Mittelalters. 1894 schließlich wurde Schäfer an die Technische Hochschule Karlsruhe berufen. In seiner Funktion als großherzoglicher Oberbaurat erhielt er den Auftrag für den Wiederaufbau des Friedrichsbaus am Heidelberger Schloss.

 

NATIONALDENKMALE IM FOKUS

Eine Folge der Napoleonischen Kriege zu Beginn des 19. Jahrhunderts war der immer mehr wachsende Patriotismus in den deutschen Ländern. Es entwickelte sich eine breite Bewegung, die nationale Größe Deutschlands auch in seinen mächtigen Bauwerken sichtbar werden zu lassen. Sie erreichte ihren Gipfel nach dem Sieg von 1871 über Frankreich und mit der Gründung des Deutschen Reichs. Schloss Heidelberg, am Ende des 17. Jahrhunderts von französischen Truppen zerstört, bot sich nach Ansicht vieler Zeitgenossen als Nationaldenkmal an. Forderungen nach einem Wiederaufbau der berühmten Ruine wurden laut. Und ganz konkret sah die badische Landesregierung die Notwendigkeit, die fragilen Mauern des Schlosses zu erhalten, das damals längst eines der wichtigsten touristischen Ziele im Reich war.

 

STREIT UM WIEDERAUFBAUPLÄNE

1883 richteten die badischen Behörden ein Schlossbaubüro ein. Die Architekten Julius Koch und Fritz Seitz dokumentierten zuerst in einem umfangreichen Planwerk den Zustand der Schlossruine. Ihr Abschlussgutachten von 1891 lehnte allerdings den Wiederaufbau ab und empfahl überraschenderweise, nur technische Schutzmaßnahmen durchzuführen. Für viele Menschen aber war die Wiederherstellung des einstigen kurpfälzischen Glanzes begehrenswert. Es entzündete sich ein heftiger Streit unter Kunsthistorikern, Denkmalpflegern, Architekten und Bauforschern, wie man weiter mit der bedeutungsgeladenen Ruine umgehen sollte.

 

FRIEDRICHSBAU ALS NEUSCHÖPFUNG

Trotz des Votums gegen eine Wiederherstellung entschieden sich Großherzog Friedrich I. und der Leiter des badischen Hochbauamtes Josef Durm dagegen, nur die historische Substanz zu erhalten: Der Friedrichsbau sollte wiederhergestellt werden. Der Architekt Carl Schäfer, bekannt für seine historisierenden Rekonstruktionen, erhielt 1894 den Auftrag. Er restaurierte die noch zum größten Teil erhaltene Fassade und ersetzte ihre Skulpturen durch Kopien. Die verlorenen Innenräume wurden neu geschaffen: Sie erhielten fantasievolle Stuckdecken und Türgewände im Stil der Neorenaissance.

 

DER SCHLOSSBAUSTREIT ALS MEILENSTEIN DER DENKMALPFLEGE
Als Schäfer weitere Rekonstruktionspläne für den Ottheinrichs- und den Gläsernen Saalbau vorlegte, beriefen Kunsthistoriker und Denkmalschützer im Jahr 1901 eine weitere Schlossbaukonferenz ein. Wiederholt diskutierten nun führende Architekten, Kunsthistoriker, Bauforscher und Denkmalschützer über den Umgang mit dem Denkmal. Der große deutsche Kunsthistoriker Georg Dehio prägte damals den Satz: „Konservieren, nicht restaurieren!“ Diese Meinung setzte sich durch. Trotz hitziger Debatten blieben weitere Rekonstruktionspläne in der Schublade. Die übrigen Gebäude der Schlossanlage wurden lediglich in ihrem Bestand gesichert. Der Friedrichsbau von Carl Schäfer ist das einzige Zeugnis für den Wunsch nach Wiederaufbau. Georg Dehios 1901 erschienene Flugschrift mit dem Titel „Was wird aus dem Heidelberger Schloss werden?“ hatte in ganz besonderer Weise dazu beigetragen, dass die Schlossbauten nicht wiederhergestellt wurden und das Heidelberger Schloss zur kunsthistorisch bedeutendsten deutschen Ruine wurde.

 

Information

Aktuell ist Schloss Heidelberg wie alle Monumente der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg ebenso wie alle Kultureinrichtungen geschlossen. Der Schlossgarten ist tagsüber frei zugänglich.

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