KOSTÜMBILDER VERSCHWINDEN AM KRIEGSENDE
Einst hingen 72 der berühmten „Kostümbilder“ im Spiegelkabinett von Schloss Favorite. Heute sind es beträchtlich weniger – eine Folge der Wirren am Ende des Zweiten Weltkriegs. Ein Aktenvermerk nennt den 18. April 1945 als möglichen Termin für den Diebstahl. In dem Dokument geht es vor allem darum, dass bei einer Führung im Juni des Jahres eine Gruppe von Menschen – zum Teil in amerikanischen Militäruniformen – Schloss Favorite besuchten. „Nach dem Betreten des Schlosses zerstreuten sich die Besucher einzeln und in Gruppen; eine geordnete Führung war unmöglich; überall wurden Schränke und Schubladen nach Belieben geöffnet.“ Der damalige Führer der Gruppe, Archivrat Dr. H.D. Siebert war chancenlos und man merkt dem Bericht in der Akte das Entsetzen bis heute an. Denn es blieb nicht beim Anfassen, manche der Besucherinnen und Besucher packten auch Gegenstände ein und nahmen sie mit – obwohl sie aufgefordert worden, die Dinge zurückzugeben und im Schloss zu lassen.
EIN DIEBSTAHL AM 18. APRIL
In diesem Vermerk wird nun ein weiterer Diebstahl erwähnt: Dr. Siebert nennt ein Bildnis der Markgräfin und schreibt, es sei „das einzige bei der Entwendung am 18. April 1945 übriggebliebene Stück“. Damals muss also ein größerer Diebstahl in Schloss Favorite stattgefunden haben. Die kleinformatigen Kostümbilder, ursprünglich ein Teil der Wanddekoration des Spiegelkabinetts, waren in den 1930er-Jahren im zweiten Obergeschoss aufgehängt worden. Aus dieser Zeit stammt auch eine präzise Fotodokumentation, die zeigt, wo sie hingen.
WIRREN AM KRIEGSENDE
In Rastatt waren die französischen Truppen bereits am 13. April eingezogen und hatten den Krieg beendet. Kämpfe hatte es keine gegeben – sodass Residenzschloss und Lustschloss vor den Toren von Rastatt wie auch weite Bereiche von Rastatt weitgehend ohne Schaden durch den Krieg gekommen waren. Dennoch herrschte wohl eine ganze Zeitlang nun eine Situation der Verwirrung und der Rechtlosigkeit. Die unmittelbare Folge: Von den ursprünglich 72 Miniaturgemälden, die die markgräfliche Familie in Verkleidungen zeigen, war nach dem Kriegsende gut ein Drittel verloren.
KUNSTHANDELSKRIMI IM JAHR 2000
Im Jahr 2000 tauchten nun gleich zehn der verschwundenen Gemälde in New York auf: ein wahrer Krimi der Kunstszene! Das Auktionshaus Sotheby’s hatte die Bilder als „German School, 18th Century, Courties in Costume“ im Katalog und tippte auf den Hof von König Friedrich I. von Preußen als Herkunft. Als die Identifikation durch die Fachleute der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg klar war, nahm das berühmte Kunsthaus die Stücke aus der Auktion – wenige Stunden vor dem Beginn des Verkaufs. Der Kunsthändler, der sie eingereicht hatte, hatte sie selbst gerade erst bei einer französischen Auktion gekauft. Und das Land Baden-Württemberg hatte nun die Gelegenheit, die raren Stücke für Schloss Favorite zurückzukaufen.
MARKGRÄFIN IN MASKERADEN
Zur Zeit des Barock liebte man Maskenbälle – davon zeugen auch diese Kostümbilder. Die kleinformatigen, feinen Gemälde präsentieren Markgräfin Sibylla Augusta, ihren Ehemann Ludwig Wilhelm und einen jungen Prinzen in Verkleidungen. Die reich geschmückten Kostüme verraten viele Details: fein gemusterte Stoffe, Perlen- oder Steinbesatz. Beeindruckend ist die Vielfalt der Maskeraden: Sibylla Augusta tritt auf als Schäferin, als Bacchantin oder Jagdgöttin Diana, als Ungarin, Magierin oder Verkörperung des Winters. Nationaltrachten, Berufe und mythologische Verkleidungen sind darunter. Im Schloss erhalten sind heute wieder 56. Einige Kostümbilder, die auf den historischen Fotos zu sehen sind, sind jedoch nach wie vor verschollen.
DER TÜRKENLOUIS IM KOSTÜM
Markgraf Ludwig Wilhelm tritt in den Kostümbildern zum Beispiel als merkwürdig gekleideter „Afrikaner“ auf oder – passend zu seinem Beinamen „Türkenlouis“ – in osmanischer Kleidung. Von einigen Maskeraden gibt es weibliche Entsprechungen. Der Prinz posiert als kleiner Jäger, Mohr oder Harlekin. Vermutlich war es Ludwig Ivenet, der die Gouachen auf Pergament malte. Dies geschah wohl noch zu Lebzeiten Ludwig Wilhelms (1655–1707) und damit vor dem Bau von Schloss Favorite. Ein Großteil der Bilderrahmen ist mit Lackdekor bemalt. Die Bilder beweisen, dass man Kostümfeste auch am Hof der Markgrafen von Baden-Baden sehr liebte. Zumindest ein Teil der Kostüme muss wirklich existiert haben – ein Mantel aus Ludwig Wilhelms Perserkostüm lässt sich identifizieren als ein Beutestück aus den Türkenkriegen.
WEGEN DER EPIDEMIE GESCHLOSSEN
Aktuell ist Schloss Favorite Rastatt wie alle Kultureinrichtungen und alle Monumente der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg wegen der Corona-Epidemie geschlossen.