EIN MANN MIT VIELEN FRAGEZEICHEN
Wenig weiß man von Aurelius von Riditio. Außer seinem Todestag am 9. November 475 gibt es fast keine Gewissheiten über ihn. Sein Lebensende liegt an der Schwelle zwischen Antike und Mittelalter, einer Zeit tiefer Umbrüche in Europa. Es ist daher kaum verwunderlich, dass der historische Aurelius bald schon in Vergessenheit geriet. 400 Jahre später, im 9. Jahrhundert, war man sich sicher, dass Aurelius im Jahr 400 in Armenien geboren worden war – so schreiben es jedenfalls die Mönche der Reichenau in der Lebensgeschichte des Heiligen. Sie berichten auch, dass seine Geschichte mit den theologischen Streitfragen in der noch jungen christlichen Kirche eng verbunden gewesen sein soll. Nach ihrer Erzählung nahm er den Bischof von Mailand bei sich in Armenien auf. Der Geistliche hatte vor den Arianern fliehen müssen, einer christlichen Strömung, die zu zentralen Glaubensfragen standhaft eine andere Meinung vertrat. Nach dem Tod des italienischen Bischofs begleitete Aurelius dessen Gebeine zurück nach Mailand, wo er am Jahrestag seines geistlichen Bruders verstorben sein soll. Wie aber kam der armenische Bischof nun in den Schwarzwald?
RELIQUIEN AUS OBERITALIEN
Um das Jahr 830 brachte der Bischof von Vercelli in Oberitalien die Gebeine des nun schon heiligen Aurelius nach Hirsau. Er tat das, weil er eigentlich ein Adelsspross aus dem Schwarzwald war, getauft auf den Namen Noting. Aber warum war dies notwendig? Reliquien waren für eine erfolgsversprechende Klostergründung unentbehrlich. Sie zeigten die Verbundenheit der irdischen Christen mit den himmlischen Heiligen. Die Gläubigen baten den Heiligen um Fürbitte bei Gott, zudem sollte er ihnen in schwierigen Lebenslagen beistehen. Zuerst wurden die Aurelius-Reliquien in der älteren Hirsauer Kirche St. Nazarius verwahrt, bald aber schon entstanden ein neues Gotteshaus, das in kurzer Zeit zum Kloster wurde.
DAS KLOSTER WÄCHST UNTER WILHELM
Unter der Leitung des bedeutenden Abtes Wilhelm wuchs das neue Kloster im 11. Jahrhundert so stark, dass eine größere Klosteranlage auf der anderen Flussseite gebaut wurde. Geweiht war der neue Komplex den Aposteln Peter und Paul. Der frühchristliche Heilige Aurelius geriet nun wieder in Vergessenheit – bis man im 15. Jahrhundert, in einer Zeit der Klosterreformen und Rückbesinnung, seine Reliquien wiederentdeckte. 1498 wurden seine Gebeine ins neue Kloster überführt. Als Hirsau – wie alle Klöster in Württemberg – in der Reformation aufgelöst wurde, traten die sterblichen Reste des Aurelius ihre zweite Reise an: Das Kloster Zwiefalten übernahm die Reliquien.
UNTERGANG UND ERNEUERUNG
Das war erstaunlicherweise die Rettung für die Aurelius-Reliquien. Denn Kloster Hirsau wurde zur Ruine, als 1692 Truppen des französischen Generals Mélac das riesige Gelände im Pfälzischen Erbfolgekrieg verwüsteten. Die Keimzelle des Klosters, die alte Aureliuskirche, blieb erhalten. Nach der Restaurierung 1956 holte man auch den fast vergessenen Aurelius wieder nach Hirsau: Ein Teil der Reliquien des Heiligen kam aus dem oberschwäbischen Zwiefalten zurück in den Schwarzwald. Der Bildhauer Otto Herbert Hajek gestaltete den andächtigen Schrein für die zurückgeholten Reliquien und die östliche Abschlusswand in der Aureliuskirche.
SERVICE UND INFORMATION
Kloster Hirsau
Kirche St. Aurelius
ÖFFNUNGSZEITEN
Mo-So, außer Di 10.00 – 18.00 Uhr
Di 10.00 – 11.00 Uhr, 14.00 – 18.00 Uhr
Klosteranlage St. Peter und Paul
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