SANIERUNG DER FREUDENSTÄDTER STADTKIRCHE
Am Sonntag, 12. Mai fand der letzte Gottesdienst für die nächsten anderthalb Jahre in der Freudenstädter Stadtkirche statt: Ab sofort ist sie bis voraussichtlich Dezember 2020 wegen umfangreicher Sanierungsarbeiten nicht mehr zugänglich. „Die sonntäglichen Gottesdienste der Stadtkirchengemeinde“, so Dekan Werner Trick, „werden in dieser Zeit im Ringhofgemeindehaus gefeiert, die Wochenschlussgottesdienste im Gebäude Marktplatz 36“. Da der außergewöhnliche Kirchenbau herausragende Kunstwerke im Besitz des Landes Baden-Württemberg beherbergt, sollen diese auch während der Bauzeit sichtbar und erlebbar bleiben. Das Amt Pforzheim von Vermögen und Bau Baden-Württemberg fand daher gemeinsam mit den Staatlichen Schlössern und Gärten Baden-Württemberg eine ideale Lösung: Die beiden Stücke sind während der Sanierung im Kloster Alpirsbach zu erleben.
KOSTBARKEITEN AUS SCHWARZWALDKLÖSTERN
„Wir freuen uns, dass wir den beiden Exponaten eine geeignete historische Umgebung anbieten können“, erklärt Michael Hörrmann, der Geschäftsführer der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg. „Wahrscheinlich gehörten die beiden herausragenden Werke bis zur Umwälzung der Reformationszeit einem der beiden großen Schwarzwaldklöster Hirsau oder Alpirsbach“, ergänzt Michael Hörrmann.
DAS ROMANISCHE LESEPULT
Das Lesepult ist eines der berühmtesten Werke der romanischen Skulptur. Der unbekannte Meister schnitzte es um 1150 aus Weiden- und Lindenholz – also in der Frühzeit von Kloster Alpirsbach. Sogar die farbige Fassung aus der Zeit vor über 850 Jahren ist weitgehend erhalten. Die vier Evangelisten Matthäus, Markus, Lukas und Johannes, jeder knapp einen Meter hoch, tragen das eigentliche Pult auf ihren Schultern. Die vier Seiten des Pultkastens schmücken die typischen Attribute der Evangelisten – Engel, Löwe, Stier und Adler. Raffiniertes Detail: Der Kasten konnte ein Gefäß mit Weihrauch aufnehmen; der Rauch strömte dann effektvoll während der Lesung des Evangeliums aus den Mündern der vier Evangelistensymbole. „Das romanische Kunstwerk ist ein Meisterwerk schwäbischer Schnitzkunst“, erklärt Dr. Petra Pechaček, die als Konservatorin bei den Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg für die Schwarzwaldklöster zuständig ist. Das Lesepult ist ab sofort im Klostermuseum in Alpirsbach zu sehen.
SPÄTGOTISCHES KRUZIFIX
Auf der Empore des südlichen Seitenschiffes der Klosterkirche – der Zugang erfolgt über das Klostermuseum – wird nun auch das spätgotische Kruzifix aus der Freudenstädter Stadtkirche präsentiert. Um 1500 sehr wahrscheinlich in Ulm entstanden, zeigt es den gekreuzigten Christus in Lebensgröße. Das Besondere dieses sakralen Kunstwerks: Der Kopf vereint drei Phasen des Sterbens Christi. Von rechts erkennt man den Gekreuzigten als Leidenden. In der frontalen Ansicht beeindruckt die Darstellung des Sterbenden; von links sind die Gesichtszüge des bereits toten Christus zu erkennen. Das herausragende Werk wird der Ulmer Schule zugeschrieben und gehörte wohl ebenfalls ursprünglich zur Ausstattung eines der Schwarzwaldklöster Hirsau oder Alpirsbach.
TRANSPORT MIT HÖCHSTER VORSICHT
Die beiden kostbaren Stücke aus dem Mittelalter erforderten aufwändige Logistik: Abbau, Transport und der Aufbau in Kloster Alpirsbach stellten die Fachleute vor Herausforderungen. Transportiert wurde das Lesepult etwa in einem klimatisierten Behältnis mit eigener Federung, um das viele Jahrhunderte alte Meisterwerk nicht zu beschädigen. Die beiden Klöster wurden in der Reformationszeit durch Herzog Ulrich von Württemberg und seinen Sohn und Nachfolger Herzog Christoph aufgelöst und in Klosterschulen umgewandelt. Teile ihrer Ausstattung ging in der Folge an evangelische Kirchen wie beispielsweise an die 1601 bis 1608 erbaute Stadtkirche in Freudenstadt.
ÜBERGREIFENDE KOOPERATION ERMÖGLICHT DIE PRÄSENTATION
Dass die Kunstwerke nun während der Sanierung in Kloster Alpirsbach zu sehen sind, wird ermöglicht durch eine umfangreiche Kooperation. Das Projekt wird gemeinsam getragen von Vermögen und Bau Baden-Württemberg, Amt Pforzheim, den Staatlichen Schlössern und Gärten Baden-Württemberg und dem Landesamt für Denkmalpflege Baden-Württemberg, mit Unterstützung der Evangelischen Kirchengemeinde Freudenstadt und des Landesmuseums Württemberg, Stuttgart. Bis zum 10. Dezember 2020 sind die beiden herausragenden Exponate in Kloster Alpirsbach zu sehen.
SERVICE UND INFORMATION
Bis 1. November (Sommersaison)
Montag bis Samstag 10.00 – 17.30 Uhr, Sonntag / Feiertage 11.00 – 17.30 Uhr
2. November bis 14. März
Donnerstag bis Sonntag 13.00– 15.00 Uhr
EINTRITT
Erwachsene 6,00 €, ermäßigt 3,00 €, Familien 15,00 €
KONTAKT, ANMELDUNG
Kloster Alpirsbach
Infozentrum / Klosterkasse
Klosterplatz 1
72275 Alpirsbach
Telefon +49(0)74 44. 5 10 61
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