Haben sich die Menschen im Barock gewaschen? Schloss Rastatt greift Besucherinteresse auf
Wie war das mit dem Waschen und dem Wasser im Schloss? „Fast bei jeder Führung im Schloss kommt die Frage“, weiß Stephan Hurst, der Leiter der Schlossverwaltung Rastatt, aus Erfahrung. Zusammen mit Dr. Petra Pechacek, der neuen Konservatorin der Staatlichen Schlösser und Gärten für die Schlösser am Oberrhein, hat er jetzt für das notwendige historische Hintergrundwissen gesorgt. Ab sofort geht das Führungspersonal im Schloss der Markgrafen von Baden-Baden auf diese grundlegenden Fragen ein und gibt die historisch korrekten Auskünfte – bei allen Rundgängen. Ebenfalls neu in Schloss Rastatt: Ein bislang nicht sichtbarer Nebenraum am Schlafzimmer der Markgräfin ist jetzt zugänglich und zeigt historische Gegenstände der alltäglichen Hygiene. Eine weitere Neuerung ist die Sonderführung „Das stille Örtchen“: Premiere ist am 12. Mai.
DER BAROCKE ALLTAG ALS THEMA BEI ALLEN FÜHRUNGEN
Führungen als das wesentliche Element der Erschließung: Für die Staatlichen Schlösser und Gärten seien sie eine zentrale Aufgabe, sie seien es, die das Erlebnis der historischen Monumente des Landes erst richtig möglich machten. Stephan Hurst führt aus: „Das ist der Grundsatz unserer Arbeit bei der Präsentation der Schlösser: Wir nehmen unsere Besucher und ihre Fragen ernst.“ Die Frage danach, wie das nun eigentlich war mit dem Waschen und der Sauberkeit in den Zeiten des legendären „Türkenlouis“ und seiner klugen Frau, der Markgräfin Sibylla Augusta, komme regelmäßig. Die Konservatorin Petra Pechacek ergänzt: „Und die Frage ist nicht abseitig, sondern gibt uns bei den Führungen ganz viele Möglichkeiten, den Alltag des 18. Jahrhundert in seiner Fremdheit und seiner Nähe zu unserer Zeit zu zeigen“.
Was genau wird künftig im Rastatter Schloss zu erleben sein? Die Schlossverwaltung hat einen kleinen Raum der Beletage des Schlosses geöffnet, der bisher nicht zugänglich war. Das Zimmer ist eine sogenannte „Retirade“, ein kleiner Nebenraum, erreichbar durch eine Tapetentürm neben dem Prunkbett im Schlafzimmer der Markgräfin. Hier sehen die Führungsgäste ab sofort Dinge des Alltags: einen Nachtstuhl, Nachttöpfe – auch einen speziell für Damen –, Waschgeschirr, sie hören von Hausrezepten und Schminken, von Riechsalz und Parfums. Die Staatlichen Schlösser und Gärten greifen dabei auf Stücke des 19. Jahrhunderts und auf Reproduktionen von Darstellungen der Barockzeit zurück: Grade Alltagsgegenstände früherer Jahrhunderte sind nur selten erhalten. „Wir haben für unseren neuen didaktischen Bereich zur Hygiene einen Raum gewählt, der schon zu Zeiten der Markgräfin Sibylla Augusta wahrscheinlich für solche Zwecke genutzt wurde“, sagt Pechacek.
Für die Führerinnen und Führer im Schloss hat die Konservatorin einen inhaltlichen Leitfaden ausgearbeitet. Die Textzusammenstellung enthält Informationen zu Hygiene und Körperpflege im Barock im Allgemeinen und ganz besonders auch im Umfeld der Markgräfin Sibylla Augusta. „Damit geben wir allen unseren Führerinnen und Führern die historischen Grundlagen, um bei Führungen das Thema korrekt zu präsentieren.“ Das neue Wissen wird künftig bei allen Führungen einfließen. Außerdem auf dem Programm: eine neue Sonderführung, die sich ausschließlich dem barocken Umgang mit Wasser und Parfüm widmet. Der Titel der neuen Sonderführung: „Das stille Örtchen“ oder „Von Töpfen, Nachtstühlen und Flohfallen“. Starttermin der neuen Führung ist Muttertag, 12.Mai, um 14.30 Uhr.
BAROCKE WASSERSCHEU MIT MEDIZINISCHEM HINTERGRUND
Und wie war es nun mit dem Waschen tatsächlich? Pechacek: „Im Barock war man sehr vorsichtig beim Kontakt mit dem Wasser.“ Die Konservatorin erklärt, dass die Medizin damals der „Säftelehre“ folgte und davon ausging, dass Wasser über die Haut in den Körper eintrete und damit das Gleichgewicht des Organismus störe. Gebadet wurde eher aus medizinischen Gründen – etwa bei einer Kur – und statt der regelmäßigen Wäsche rieb man sich beispielsweise mit sauberen Tüchern ab und mit Parfüm und wechselte oft die Wäsche – wenn man das Glück hatte, zu den vornehmen Herrschaften zu gehörten und über genügend Wäsche verfügte.
Anmeldungen für die Sonderführung „Das stille Örtchen. Von Töpfen, Nachtstühlen und Flohfallen“ am 12.Mai, um 14.30 Uhr:
Service-Center Telefon 0 72 22 . 93 49 88 1 und 97 81 78
E-Mail: service@schloss-rastatt.de