Mittwoch, 16. Dezember 2020

Residenzschloss Ludwigsburg | Allgemeines Hinter geschlossenen Türen: High-Tech-Laser im Einsatz an historischen Textilien

200 Jahre alte Textilien zu reinigen, ohne dass sie Schaden leiden – das ist gerade eine der komplexen Aufgaben der Restauratorinnen und Restauratoren im Residenzschloss Ludwigsburg. Im Rahmen einer Studie untersuchten sie jetzt, ob Lasertechnik einen Weg bietet. Auch wenn das Schloss aktuell wegen der Corona-Epidemie nicht zugänglich ist: Hinter den verschlossenen Portalen gehen die Arbeiten weiter. Bis voraussichtlich 2023 werden die königlichen Wohnungen in der Beletage des Neuen Hauptbaus aus der Zeit kurz nach 1800 konserviert und restauriert. Die originalen Ausstattungsstücke, Gemälde, Skulpturen und Möbel, werden aufwändig restauriert. Und Lasertechnik gehört ab sofort auch zum Repertoire der Fachleute.

TEXTILE OBERFLÄCHEN FORDERN DIE EXPERTEN

Die Sitzmöbel in den königlichen Appartements im Residenzschloss Ludwigsburg gehören zur Einrichtung aus der Zeit von König Friedrich I. und Königin Charlotte Mathilde. Und viele besitzen sogar noch den historischen Bezug aus den originalen Stoffen der Zeit von vor 200 Jahren. Für manche Stücke fertigten die Königin und ihre Hofdamen höchstpersönlich Stickereien an. „Über die Jahrhunderte ist der Schmutz tief in die Fasern der historischen Textilien eingezogen. Was früher einmal bunte Stickereien waren, ist heute oft grau, manchmal fast schwarz,“ beschreibt Restauratorin Annemie Danz M. A. den Zustand der historischen Textilien. Bei der Vielfalt an unterschiedlich alten und gealterten Stoffen können nicht einfach übliche Reinigungsverfahren angewendet werden. „Zu groß ist das Risiko, lose, brüchige Fasern, also, originale Substanz zu verlieren“, erläutert die Expertin. „Lösemittel und mechanische Reinigung sind für gealterte, spröde Fasern eine zu heftige Strapaze.“

 

DAS MATERIAL VORAB PRÜFEN

Zu Beginn der „Machbarkeitsstudie zur Reinigung fragiler historischer Textilien an Möbeln mittels Laser“ mussten die mitwirkenden Fachleute erst Testläufe machen. „Bevor wir starten, müssen wir zunächst das Verhalten der originalen Oberflächen und des Materials überprüfen.“ Textilrestauratorin Anke Weidner M. A. und Holzrestaurator Karsten Pürschner, beide diplomierte Restauratoren, führten die Machbarkeitsstudie gemeinsam durch. High-Tech kam zum Einsatz: Neben dem Laser nutzte das Team ein tragbares Röntgenfluoreszenz-Gerät. Damit wurde kontrolliert, ob sich neben den Staubpartikeln noch andere Stoffe vom Laser absorbieren ließen ‒ was so viel bedeutet wie, dass sich mit der Lasertechnik nicht nur der über zwei Jahrhunderte angesammelte Schmutz aus dem historischen Material entfernen lässt, sondern auch die Spuren früherer Insektizidbehandlungen reduziert werden können. Testobjekte waren unter anderem ein Plüsch-Fußkissen und ein „Tabouret“, ein Schemel mit Stickereien der Königin Charlotte Mathilde – beides aus der Zeit vor 1820 – sowie ein Polsterstuhl mit Flecken, ebenfalls Anfang 19. Jahrhundert.

 

WIE FUNKTIONIERT LASERN BEI TEXTILIEN?

Beim Lasern werden die Verschmutzungen gelöst, ohne, dass der fragile historische Stoff überhaupt berührt oder bewegt werden muss – geschweige denn, dass er mit Wasser oder einem anderen Lösungsmittel in Kontakt kommt. Ein fein dosierter, kurzer Energieimpuls aktiviert den im Faserverband eingeschlossenen Staub und wirbelt ihn auf – sichtbar als eine winzige, helle Wolke auf dem Textil. Der Schmutz erwärmt sich durch den Laserimpuls und verdampft. Der verdampfte Staub, auch „Plasmawolke“ genannt, wird mit einer mobilen Absauganlage entfernt. „Der Laser darf das Material nicht beschädigen und es darf sich nicht verändern. Die Fasern dürfen nicht brechen,“ erklärt Anke Weidner. Der Effekt, den die Textilrestauratorin und der Holzrestaurator bei den Lasertests erzielten, war überzeugend – und der Fortschritt ist enorm. Jetzt ist es möglich, auch besonders empfindliche Objekte zu reinigen, ohne die historischen Materialien zu beschädigen.

 

VORHER-NACHHER-ZUSTAND

Um den Zustand vor und nach der Reinigung zu vergleichen, untersuchten die Fachleute die Textilien jeweils mit einem portablem Lichtmikroskop. Die Fotos, die das Aussehen vor und nach der Behandlung dokumentieren, sind verblüffend und beeindruckend: Vor der Laser-Behandlung waren am Plüsch des Fußkissens und an den Stickereien des Tabourets die Oberfläche und Fadenenden zum Teil fast schwarz. Nach der Behandlung sind die Farben und Muster erkennbar, sie leuchten. „Das Lasern hat sich als Alternative zu herkömmlichen Reinigungsverfahren bewährt. Es berührt die Textilien nicht, die Laserimpulse dauern nur kurz an und erzielen dabei eine enorme Wirkung“, fasst Weidner die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie zusammen. „Wir können also künftig hochsensible Materialien bearbeiten und uns mit dem Laser gezielt auf die Schmutzstellen konzentrieren.“

 

RESTAURIERUNGEN BIS 2023

Stephan Hurst, der Leiter der Schlossverwaltung, ist begeistert: „Der Effekt an den alten Stoffen ist so deutlich, das sieht man sogar als Laie. Die historischen Muster bekommen plötzlich wieder Farbe!“ Bis 2023 werden die Appartements von König Friedrich I. und Königin Charlotte Mathilde – insgesamt 35 Räume – im Neuen Hauptbau, dem Südflügel des Residenzschlosses Ludwigsburg, in ihrem originalen Zustand vom Beginn des 19. Jahrhunderts wiedereingerichtet. Für die Neupräsentation der königlichen Wohnungen werden Räume, Ausstattungsgegenstände und Sammlungsobjekte aufwändig restauriert: Es ist das größte Restaurierungsprojekt der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg.

 

SERVICE UND INFORMATION

Das Residenzschloss Ludwigsburg ist wie alle Monumente der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg und Kultur- und Freizeiteinrichtungen nach der Corona-Verordnung des Landes bis mindestens zum 10. Januar 2021 geschlossen.
 

INFORMATIONEN
Residenzschloss Ludwigsburg

71634 Ludwigsburg

Telefon +49(0)71 41.18 64 00

info@schloss-ludwigsburg.de

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