Sonntag, 20. Dezember 2020

Kloster und Schloss Salem | Allgemeines Der Marienaltar und die „Geburt Christi“ als erste Nachtszene der deutschen Malerei

Im Jahr 1508 wurde an Weihnachten die Liebfrauenkapelle des Klosters Salem geweiht. Der Hochaltar für die neue Kapelle stammte vom Memminger Maler Bernhard Strigel. Der Flügelaltar, der Maria, der Mutter Gottes, gewidmet ist, gilt als eindrucksvolles Zeugnis der Marienfrömmigkeit und als Meisterwerk der Tafelmalerei am Ende des Mittelalters ‒ mit gleich zwei staunenswerten Besonderheiten: Er zeigt das wohl früheste Nachtbild der deutschen Malerei – und die Gesichtszüge von Kaiser Maximilian I., womit die Verbundenheit von Kloster und Reich betont wurde. Der Marienaltar kam 2014 nach einer wechselvollen Geschichte zurück nach Salem und fand seinen Platz im Klostermuseum.

EIN NEUER HOCHALTAR FÜR KLOSTER SALEM

1507 erhielt der Memminger Maler Bernhard Strigel (1460–1528) den Auftrag für den Marienaltar, den Hochaltar der neu gebauten Liebfrauenkapelle des Klosters. Ein Jahr später, an Weihnachten 1508, wurde die Kapelle geweiht. Strigel war einer der bekanntesten Künstler der Zeit: Er war Hofmaler von Kaiser Maximilian I., ein Titel, den nach ihm auch der heute bekanntere Albrecht Dürer erhalten sollte. Die Werkstätten der Familie Strigel prägten im 15. und 16. Jahrhundert die Memminger Schule und waren bis Rom bekannt. Für den Preis von 150 Gulden und fünf bis sechs Wagenladungen Wein, die erstaunliche Menge von 10.000 Litern, sollte der Maler einen Altar liefern. Dass Wein als Zahlungsmittel eingesetzt wurde, war damals nichts Ungewöhnliches. Aber selbst für eines der reichsten Klöster Süddeutschlands war dies kein kleiner Betrag. Dass Bernhard Strigel seinen Preis wert war, belegt der prachtvolle Marienaltar eindrucksvoll.

 

SZENEN AUS DEM LEBEN MARIENS

Das Bildprogramm zeigt sechs Szenen aus dem Leben Mariens. In geschlossenem Zustand zeigt der Marienaltar die Verkündigung Mariä auf der linken und Mariä Heimsuchung auf der rechten Seite. Die Predella, der Altarsockel, zeigt die Grabtragung Mariens durch die Jünger. Wenn die Flügel des Wandelaltars geöffnet sind, fällt der Blick auf das Hauptbild: die geschnitzte Darstellung des Marientodes. Auf dem rechten Innenflügel ist die Anbetung des Jesuskindes durch die Heiligen Drei Könige zu sehen. In einem der Weisen aus dem Morgenland erkennt man deutlich den Kaiser, herausgehoben durch seine Kleidung in prachtvollem Gold mit schwarzem Barett und zu identifizieren durch sein markantes Profil. Strigel verewigte Maximilian I., den Beschützer des christlichen Glaubens, als frommen Christen im Bild. In Salem, dem reichsunmittelbaren Kloster, das nur den Kaiser als weltlichen Herrn über sich anerkannte, war diese Darstellung durchaus programmatisch gemeint. Der linke Innenflügel präsentiert die Geburt Christi im Stall – als Nachtszene.

 

EINE DER ÄLTESTE NACHTSZENEN DEUTSCHER MALEREI

Umgeben vom Dunkel der Nacht erhellt das Jesuskind den Raum und die umstehenden Personen und Tiere: Maria und Josef, Engel, die aus dem Freien hinzugekommenen Hirten sowie Ochs und Esel am rechten Bildrand. Begleitet wird die Szene von drei Putten, die über dem Kind schweben und eine Schriftrolle in den Händen halten. In Bodennähe sind Textstellen aus dem Lukas-Evangelium auf Schrifttafeln angebracht. Die geheimnisvolle Stimmung des Gemäldes spiegelt das Wunder der Heiligen Nacht wider, in der Gott Mensch wurde. Strigels Darstellung der Geburt Christi gilt als eines der ältesten Nachtbilder deutscher Malerei, das von der niederländischen Kunst des ausgehenden 15. Jahrhunderts beeinflusst war.

 

DAS WEIHNACHTSBILD UM 1500

In der Zeit um 1500 wandelte sich das Bild von Weihnachten zunächst in den Niederlanden, später auch am Niederrhein: Man griff auf das Dunkel der Nacht zurück, um die Geburt Christi darzustellen. Damit wurde das Kind, das „Licht der Welt“, zum strahlenden Mittelpunkt und zur zentralen Lichtquelle des Gemäldes – wie in der Stallszene, die Bernhard Strigel für den Salemer Marienaltar komponierte. Als Vorlage diente vermutlich ein früheres Nachtbild des altniederländischen Malers Hugo van der Goes (um 1435–1482). Seine um 1470 gemalte Nachtbildszene ist heute nicht mehr erhalten, inspirierte aber spätere Künstler wie Geertgen tot Sint Jans (um 1460–vor 1495) und Jan Joest van Kalkar (um 1460–1519), die Strigel vermutlich kannte.

 

MEILENSTEIN DER KUNST

Bis heute gilt der Marienaltar mit seinem fein abgestimmten Bildprogramm als ein Meilenstein deutscher Malerei am Übergang des Mittelalters zur Frühen Neuzeit. Nach einer wechselvollen Geschichte fand Strigels Altar im Jahr 2014 seinen Platz wieder in Salem. Dort bildet er das Herzstück des Klostermuseums, das die reiche Geschichte einer der bedeutendsten Abteien Süddeutschlands aufzeigt. In Strigels Werk steht der Marienaltar am Übergang von Spätgotik zur Renaissance: Das Kunstwerk markiert den Wendepunkt in seiner Karriere zu einem der bedeutendsten Künstler der Renaissance, nicht nur in Schwaben.

 

INFORMATION

Wie alle Monumente der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg ist Kloster und Schloss Salem bis mindestens 10. Januar 2021 gemäß der aktuellen Corona-Verordnung des Landes geschlossen.

 

KONTAKT

Kloster und Schloss Salem
88682 Salem
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